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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin
Autoren: Anne Perry
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bringen? Welche Schritte…«
    »Sie ist natürlich verklagt worden«, erklärte seine Frau.
    »Von wem? Von König, wie hieß er gleich wieder…?«
    »Natürlich nicht.« Sie tat den Gedanken mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Von Prinzessin Gisela selbst! Die arme Frau! Niemand steht ihr bei. Die ganze Königsfamilie hat sie vor Jahren fallenlassen.«
    »Niemand hat sie fallenlassen«, widersprach Rathbone.
    »Wenn Sie schon diesen Ausdruck benutzen wollen, dann trifft er wohl eher auf Friedrich zu, der seine Pflicht und sein Land aufgegeben hat. Und das hat er nur ihretwegen getan. Ob bewußt oder nicht, sie ist der Grund dafür.«
    »Die Liebe war der Grund, Sir Oliver«, korrigierte Lady Whickham. »Es war eine der größten Liebesgeschichten des Jahrhunderts. Ihre Liebe war leidenschaftlich, ausschließlich und hoffnungslos. Sie konnte nicht ohne ihn sein, und er verzichtete auf Reich und Krone, um für immer mit ihr im Exil zu leben, statt allein zu herrschen. Jetzt ist er tot und sie allein, mittellos und ohne Freunde – und da wird sie von dieser Gräfin Soundso in den Schmutz gezogen. Ich kann einfach nicht fassen, daß ein Mensch so gemein sein kann!« Ihr Gesicht verzerrte sich vor Abscheu und auch Anstrengung, weil sie versuchte, sich das Ausmaß dieser Gemeinheit auszumalen.
    »Neid, wie ich annehme«, warf Mr. Lacey unwirsch dazwischen und drehte das Glas zwischen den Fingern. »Die Frau war selbst in Prinz Friedrich verliebt und rächt sich jetzt auf diese Weise. Eifersucht kann eine Seele vergiften, so daß sie am Ende zu jedem Verbrechen bereit ist, egal wie abstoßend oder verwerflich es allen anderen erscheinen mag. Aber ich denke, die Sache wird schnell geregelt.« Er nippte an seinem Glas. »An ihrer Schuld bestehen kaum Zweifel. Darum glaube ich nicht, daß es zu dem Sensationsprozeß kommt, mit dem Sie anscheinend rechnen.«
    Mrs. Keogh schüttelte betrübt den Kopf. »Armes Ding. Erst die Trauer, und dann das! Sie muß völlig am Ende sein. Vor einem Jahr fehlte ihr nichts von all dem, was das totale Glück ausmacht, und jetzt ist das alles zerstört. Was für ein tragischer Schicksalsschlag.«
    »Nun, zumindest würde kein Mann von Ehre diese Bestie verteidigen«, stieß Colonel Keogh hervor. »Sie wird auf einen jüngeren Referendar zurückgreifen müssen, von dem noch keiner gehört hat, oder auf einen Anwalt von der Sorte, die der schlechte Ruf schon widerlegt, bevor sie überhaupt den Mund aufgemacht haben.«
    Rathbone wollte die anderen schon darauf hinweisen, daß er Zorah Rostovas Verteidigung übernommen hatte, merkte aber noch rechtzeitig, wie peinlich das für Mrs. Keogh und wahrscheinlich auch für Laceys wäre. Andere bewußt in Verlegenheit zu stürzen war ein übler Verstoß gegen die guten Sitten, zumal dann, wenn sie ihm zu Ehren ein Fest gaben. Abgesehen davon würde niemand auch nur ansatzweise seine Motive verstehen.
    »Eine schlechte Verteidigung wäre doch gewiß der englischen Gesetze unwürdig«, sagte er vorsichtig. »Und letztlich auch einer Prinzessin Gisela.
    Keogh starrte ihn an. Erneut bauschten sich seine Koteletten.
    »Der Teufel soll mich holen, wenn ich das verstehe, Sir«, brummte er. »Klingt für mich nach Sophistereien. Seien Sie so freundlich und erklären Sie sich.«
    »Selbstverständlich.« Rathbone kam dieser Aufforderung bereitwillig nach. Zum einen mochte er Keogh nicht, zum anderen hatte er auf die Gelegenheit gewartet, seinen Standpunkt darzulegen. »Der Kerngedanke unseres Rechtswesens ist es, daß es niemanden verurteilt, bevor nicht sämtliche Beweise vorgelegt und unparteiisch geprüft worden sind. Es begünstigt keine bestimmten Personen, Altersgruppen, gesellschaftlichen Ränge, politischen Überzeugungen, Rassen, Hautfarben oder Glaubensrichtungen. Ob Engländer oder Hottentotten, Prinzessinnen deutscher Staaten, Witwen oder deren Ankläger, alle werden gleich behandelt.«
    Mr. Lacey murmelte seine Zustimmung. Keogh gab mit zusammengebissenen Zähnen ein Grunzen von sich.
    »Nun zu der anderen Frage«, fuhr Rathbone fort. »Gräfin Rostova weniger als die bestmögliche Verteidigung zu geben hieße, ihre Vorwürfe nicht in der entsprechenden Form zu überprüfen. Angenommen, Sie wären Prinzessin Gisela, wäre Ihnen damit gedient, wenn gemunkelt würde, Sie hätten nur gewonnen, weil der Anwalt der Gegenseite inkompetent war?«
    »Hm…« Keoghs Gesicht färbte sich rosa. »So weit wird es wohl kaum kommen. Wer ehrenhaft und
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