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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen
Autoren: Minelli Michele
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gewisse Freude hatte, und das merkten die Damen nicht zu selten und gaben ihm auch gerne neuen Stoff, ebendiese Freude zu nähren, war ihre Ausgefallenheit! Ihre Gefallsucht, ihr Geltungsdrang, mit immer wieder überraschendenund noch unglaublicheren Haarteilen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu wollen. Und dadurch natürlich auch auf ihn, den etwas schmächtigen, dunklen, sanften, ach so stillen Posticheur zu Hofe. Und was sie sich nicht alles ausdachten, um ihn herauszufordern und ins Schwitzen zu bringen, das gefiel ihnen, ja, das hatte er schon gemerkt, dass sie ganz begeistert waren und ihre behandschuhten Händchen zusammenklatschten, wenn er nach Luft japste, wenn sie wieder einmal einen Spleen äußerten. Und diesen natürlich nicht als Spleen, sondern als unwiderrufbares Dekret. Als ob man ihn ansonsten den hohen Hügel hinunterrollen würde und im Hornád ertränken …
    Aber sie hatten ja auch Ideen! Frische Lorbeerblätter aus Florenz, weiße Wolfshaare aus den Abruzzen, Fasanenköpfe aus der Walachei, Miniaturmarionettenfiguren aus Lemberg und glasierte Schwanenschnäbel aus Wien – was nicht noch alles wollten sie in ihre Frisuren und Perücken von ihm eingearbeitet haben! Bunte Webborten, kristallbestückte Tressen, aufgesteckte Glasperlen und schillernd eingefärbte Bürzel der Nebelkrähe am Seidenband, aber auch getrocknete und schwarz getönte Seesterne, alles war ihnen einen Versuch wert in ihrem spielerischen Wettbewerb, die andere auszubooten. Und sie freuten sich ja wirklich, wenn er ihnen den Spiegel vor die Augen hob und sie in Andacht still umrundete, Schritt für Schritt. Sein leicht vorgebeugter Gang – aufgrund einer Rachitis, die er als Kind durchlitten hatte – störte sie da wenig, im Gegenteil, das brachte ihn nur noch näher an sie heran, so dass es der einen oder anderen hin und wieder gelang, seinen Duft einzuatmen. Seinen aufreizenden Jungmännerschweiß, der ihm aus den Poren drang, und damit sein einziges großes Ärgernis über sich selbst.
    Und eigentlich waren sie gar nicht so schlimm, gar nicht so etepetete, wie sie gerne vorgaben zu sein, eigentlich warensie wie kleine Kinder, verrückt nach ihrem eigenen Spiegelbild, was hatten sie denn sonst?
    Ihre Stoffe, ihre Kleider, ihre Korsetts und Mieder, diese ganzen Spangenschuhe aus Venezien und die Crefelder Seidenstrümpfe, bergeweise Tand – das alles konnte doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich langweilten! Sie waren ihrer selbst so überdrüssig, ihrer eigenen Gedanken, die doch nie irgendwohin führten, ihrer Stickereien, mit denen sie gegen die Tristesse ins Gefecht zogen, ihrer erfolglosen Liebschaften, ihrer gewichtigen und stets abwesenden Ehemänner – denen er nur zu gerne auch eine ordentliche Frisur verpasst hätte, einen gekonnten Backenbart –, ja, überdrüssig der eigenen Gesellschaft sogar. Da war die eine wie die andere. Und auch ihre Zeitvertreibe, deren sie sich bemüßigten, die buntbemalten Brettspiele, das Puzzle, bei dem sie mittels unzähliger kleiner gestanzter Teilchen immer und immer wieder die Ländereien ihrer Männer falsch zusammenfügten und darüber lachen konnten und sich ergötzen konnten, als sei die Welt der Politik ein Spiel für Teegesellschaften! Oder dann die Gräfin Csöke selbst, die eine eigentümliche und das Maß alles Erträglichen übertreffende Katzenzucht betrieb – all diese lächerlichen Selbstbeschäftigungen waren nichts gegen einen echten Beruf! Ein Beruf nur gab einem Menschen Profil, gab ihm Selbstbewusstsein, Stand. Und er, František Schön, war Perückenmacher mit Leib und Seele. So brachte er den Damen des Adels und ihren Trabanten, den Emporkömmlingen und jenen, die in Kassa etwas auf sich hielten, Abwechslung und Zauberei ins höfische Leben.
    Und damit eben auch das eine oder andere beißende Geheimnis, nach dessen Aufklärung der Gräfin Csökes Blicke verlangten. Aber da gab’s nichts, da hielt er sich bedeckt.
    Eine der ungezähmten Katzen, die diesen Hof so unsicher machten, sprang an seinem Bein hoch. Es war wahrscheinlichnur eine der jungen gewesen oder der greise gescheckte Kater, den offenbar gar nichts umbringen konnte, der hatte seinen eigenen Tod gewiss schon sieben Mal überlebt. František Schön wischte das Tier impulsiv und unbesehen mit dem Handrücken fort. Er hasste diese Viecher, sie waren überall, und man konnte sich nie sicher sein, ob einem nicht irgendwo eines auflauerte. Am schlimmsten war es, wenn eine der Katzen
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