Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Titel: Die Rückkehr des Sherlock Holmes
Autoren: Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
man meinen. Aber die Tatsache bleibt bestehen, daß da keiner ist.«
    Er hob den Teppich an einer Ecke hoch, klappte ihn um und zeigte, daß er mit seiner Behauptung recht hatte.
    »Aber die Unterseite ist genauso gefleckt wie die obere. Das muß doch eine Spur hinterlassen haben.«
    Lestrade kicherte vor Vergnügen, den berühmten Experten aus der Fassung gebracht zu haben.
    »Nun werde ich Ihnen die Erklärung zeigen. Es
gibt
einen zweiten Fleck, aber der liegt nicht unter dem ersten. Sehen Sie selbst.« Bei diesen Worten schlug er einen anderen Teil des Teppichs um, und dort befand sich tatsächlich ein großer roter Fleck auf der glatten hellen Oberfläche des altmodischen Bodens. »Was schließen Sie daraus, Holmes?«
    »Nun, ganz einfach. Die beiden Flecken
lagen
übereinander, aber der Teppich ist verschoben worden. Das konnte leicht geschehen, da er auf dem glatten Boden nicht befestigt war.«
    »Die offizielle Polizei hat es nicht nötig, Mr. Holmes, sich von Ihnen sagen zu lassen, daß der Teppich verschoben worden sein muß. Das liegt ja auf der Hand, denn die Flecken passen genau zusammen – wenn man ihn so herlegt. Was ich aber wissen will, ist: Wer hat den Teppich verschoben, und warum?«
    Ich konnte Holmes’ starrem Gesicht ansehen, daß er innerlich vor Erregung bebte.
    »Hören Sie mal, Lestrade!« sagte er. »Hat der Polizist auf dem Flur die ganze Zeit hier Wache gehalten?«
    »Allerdings.«
    »Dann folgen Sie meinem Rat. Befragen Sie ihn gründlich; aber nicht vor uns. Wir warten hier solange. Gehen Sie mit ihm ins Hinterzimmer. Sie werden von ihm eher ein Geständnis erhalten, wenn Sie unter sich sind. Fragen Sie ihn, wie er sich unterstehen konnte, Leute hier herein und in diesem Zimmer allein zu lassen. Fragen Sie nicht,
ob
er das getan hat. Nehmen Sie das als erwiesen an. Sagen Sie ihm, Sie
wüßten,
daß jemand hier gewesen ist. Setzen Sie ihn unter Druck. Sagen Sie ihm, daß er nur mit einem vollen Geständnis auf Vergebung rechnen könne. Tun Sie genau, was ich Ihnen sage!«
    »Donnerwetter, wenn er was weiß, werde ich’s aus ihm rauskriegen!« rief Lestrade. Er stürzte in den Vorraum, und gleich darauf drang seine einschüchternde Stimme aus dem Hinterzimmer.
    »Jetzt, Watson, jetzt!« rief Holmes mit rasender Ungeduld. Die ganze dämonische Kraft dieses Mannes, die er hinter seinem teilnahmslosen Gebaren verborgen hatte, machte sich jetzt in einem Paroxysmus von Betriebsamkeit Luft. Er riß den Läufer weg und lag im Nu auf Händen und Knien und tastete jedes einzelne der hölzernen Quadrate darunter ab. Eines verschob sich zur Seite, als er seine Nägel in dessen Fugen grub. Es klappte auf wie der Deckel einer Kiste. Darunter befand sich eine kleine schwarze Höhlung. Holmes stieß gierig die Hand hinein – und zog sie mit einem bösen Knurren der Wut und Enttäuschung wieder heraus. Leer.
    »Schnell, Watson, schnell! Wieder zurück damit!« Der hölzerne Deckel wurde wieder eingesetzt, und der Läufer war kaum geradegezogen worden, als Lestrades Stimme draußen im Flur ertönte. Er traf Holmes an, wie er träge am Kamin lehnte, gelassen und geduldig, und ein nicht zu unterdrückendes Gähnen zu verheimlichen suchte.
    »Tut mir leid, daß Sie warten mußten, Mr. Holmes; ich sehe Ihnen an, daß die ganze Sache Sie zu Tode langweilt. Nun, er hat alles gestanden. Kommen Sie herein, MacPherson. Lassen Sie diese Gentlemen von Ihrem ganz und gar unverzeihlichen Betragen hören.«
    Der hünenhafte Polizist kam ganz geknickt und zerknirscht ins Zimmer geschlichen.
    »Ich hab’s nicht böse gemeint, Sir, bestimmt. Die junge Frau kam gestern abend an die Tür – hat das Haus verwechselt. Dann sind wir ins Gespräch gekommen. Man ist einsam, wenn man den ganzen Tag hier Wache schiebt.«
    »Nun, und was geschah dann?«
    »Sie wollte sehen, wo das Verbrechen geschehen ist – sie hätte davon in der Zeitung gelesen, sagte sie. Sie war eine sehr achtbare, redegewandte junge Frau, Sir, und ich fand nichts Schlimmes dabei, sie einen Blick hereinwerfen zu lassen. Als sie diesen Fleck da auf dem Teppich sah, brach sie zusammen und blieb wie tot auf dem Boden liegen. Ich bin zurückgelaufen und hab Wasser geholt, konnte sie aber nicht zu sich bringen. Dann bin ich um die Ecke zum Ivy Plant gegangen, um Brandy zu besorgen, und als ich damit zurückkam, hatte die junge Frau sich schon wieder erholt und war fort – hat sich wohl geschämt, mich noch mal zu sehen.«
    »Wie kam es dazu, daß der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher