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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen
Autoren: Georgi Martynow
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Ärger war deutlich in Michail Petrowitschs Stimme zu hören. »Wie kommst du denn darauf, dass du unbedingt sterben musst? Wenn man von jeder Krankheit sterben müsste, wären keine Menschen mehr auf der Erde geblieben. Lass mich lieber das Licht anmachen.«
    Er stand auf, ging zur Tür und drehte den Schalter. Im Zimmer wurde es hell.
    Als er zum Bett zurückkehrte, lag Wolgin mit geschlossenen Augen da. Michail Petrowitsch sah aufmerksam in sein furchtbar abgemagertes, aschfahles Gesicht und seufzte schwer. Er erinnerte sich an die Worte des Professors von heute morgen: »Der Patient hat nicht mehr als drei Tage zu leben.« Der alte und erfahrene Arzt konnte sich nicht irren und auch Michail Petrowitsch selbst konnte es genauso gut sehen. Er beugte sich vor und berührte leicht Wolgins Arm, der über der Decke lag. »Schläfst du, Dima?«
    »Nein.« Wolgin öffnete die Augen. »Bleib bei mir, ein wenig.«
    »Man bringt dir gleich das Abendessen.« Michail Petrowitsch setzte sich in den Sessel. »Wera Andrejewna hat mir gesagt, du wärst launisch geworden.« Er lächelte müde und traurig. »Wozu brauchst du auf einmal eine Wettervorhersage? Und was ist das für eine Phantasie mit dem Eiffelturm?«
    Wolgin runzelte die Stirn. »Nur so«, sagte er lusdos. »Achte nicht drauf. Es kann einem vieles einfallen, wenn man nichts zu tun hat.«

2
    An einem Augustnachmittag fuhr ein Auto mit offenem Verdeck auf einer Asphaltstraße in der Nähe von Moschajsk.
    Neben dem Fahrer saß ein älterer Mann. Ein leichter grauer Mantel, ein weicher Hut und eine Brille mit vergoldeter Fassung erweckten den Eindruck, dass der Mann ein ausländischer Tourist sein könnte. Das Bild wurde noch mehr vom Interesse verstärkt, mit dem der Mann die vorbei rasenden malerischen Landschaften ansah. Nur die Abwesenheit eines Fotoapparates auf der Brust störte den Eindruck ein wenig.
    »Und keine Spuren ...«
    Der Fahrer drehte den Kopf und sah den Passagier fragend an.
    »Ich meine, keine Spuren des Krieges.« Der ältere Mann zeigte mit der Hand um sich herum. »Hier hat es doch gigantische Schlachten gegeben.«
    »Es sind acht Jahre vergangen, Michail Petrowitsch. Die Spuren sind da, Sie bemerken sie nur nicht.«
    Sewerskij seufzte. »Ja«, sagte er, »acht Jahre. Für unser Land ist es eine riesige Zeitspanne. Ich war erst vor kurzem in London — dort trifft man immer noch auf zerstörte Häuser. Im Umland von Paris sieht man deutlich die Spuren nicht nur des Zweiten, sondern sogar des Ersten Weltkrieges. Und bei uns sieht man so gut wie gar nichts mehr. Ist es noch weit, Genosse Petrow?«
    »Noch etwa zwölf Kilometer bis U..., vielleicht vierzehn, ich weiß es nicht mehr genau.«
    Das Auto fuhr schnell über die breite glatte Autobahn. Der kühle Wind blies über die Windschutzscheibe hinweg und kühlte angenehm das Gesicht. Die entgegen kommenden Autos rasten an ihnen vorbei und ließen leichte Wölkchen Staub und Abgase hinter sich. Auf dem wolkenlosen Himmel neigte sich die Sonne gen Westen.
    »Wir sind zu spät losgefahren«, sagte Sewerskij. »Wenn wir zurück fahren, wird es schon dunkel sein.«
    »Werden Sie lange dort bleiben?«
    »Nein, nicht lange. Ich besuche nur das Grab. Will mich für ziemlich lange Zeit von meiner Schwester und meinem Freund verabschieden. Es kann leicht passieren, dass es ein Abschied für immer sein wird ...«
    »Ihre Schwester und ihr Freund ...«, sagte Petrow mitfühlend. »Haben Sie noch nie ihre Gräber besucht?«
    »Es ist ein Grab ... Nein, hab ich nicht, Genosse Petrow. Meine Schwester wurde während des Krieges beerdigt - sie wurde von den Deutschen gehängt. Ihr Mann, mein bester Freund, starb diesen Winter. Wir waren damals in Frankreich. Sein Leichnam wurde in einem Bleisarg in die Heimat geschickt und neben seiner Ehefrau beerdigt, im selben Grab. Und ich konnte Paris nicht verlassen. Ich wollte es sehr«, fügte Sewerskij hinzu, »konnte es aber nicht. Deswegen war ich auch nicht bei der Beerdigung.«
    »Weswegen wurde Ihre Schwester denn gehängt? Obwohl... die Nazis hängten einen oft auch ohne Grund.«
    »Sie war bei den Partisanen Ärztin und behandelte drei Verwundete aus dem örtlichen Untergrund. Das Versteck wurde von der Gestapo entdeckt. Die Verwundeten wurden sofort hingerichtet, und meine Schwester gefangen genommen. Sie folterten sie und versuchten, Informationen über den Partisanentrupp zu bekommen, schafften es aber nicht und hängten sie schließlich.« Michail Petrowitsch
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