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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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duftendem Berggras ... Hufe auf Fels ... einmal eine Wiese mit bunten Blumen, die Anghara zunickten, als sie sich bemühte, alles deutlicher zu sehen. Ein weiterer Tag und dann noch einer ... noch eine Nacht ... ein goldener Sonnenuntergang ... und dann plötzlich hohe Mauern, wo zuvor freie Natur gewesen war. Flackernde Fackeln anstelle von Tageslicht; der abgestandene Mief eines Ortes, der die Sonne seit dem Tag nicht erblickt hatte, an dem er gebaut worden war, keine frische kühle Bergluft mehr.
    Diesmal war die Erinnerung nicht verschwommen, als sie auftauchte – dies war der Ort, den sie gesehen hatte, als al’Jezraal die Vision von Kerkern in den Katakomben von Al’haria heraufbeschworen hatte. Diesmal war alles echt. Dieses Wissen traf sie tiefer und schmerzlicher als irgendein anderer Gedanke, seit sie den Stall in Calabra verlassen hatte. Endlich ließ sie ihre Eskorte allein, irgendwo in der lautlosen Dunkelheit der Kerker von Miranei. Anghara hörte – wie in ihrer Vision – das dumpfe, Böses verheißende Geräusch, als sich in der Ferne eine Tür mit grausamer Endgültigkeit schloss. Alle waren gegangen, und sie war allein in der Dunkelheit.
    Das tamman hatte Anghara an einen Punkt gebracht, wo diese Erkenntnis nicht mehr für sie bedeutete, als dass man sie in dieser gesegneten Dunkelheit zurückließ, wo sie sich zusammenrollen konnte, ohne ständig auf dem Rücken eines galoppierenden Pferdes durchgerüttelt zu werden und endlich schlafen zu dürfen. Es spielte keine Rolle, dass ihr Bett ein Haufen stinkendes Stroh auf den Steinplatten des Bodens war, oder dass die Luft in ihre winzige Zelle durch ein kleines Gitterloch in der dicken Eichentür kam – ein Gitter, das so aussah, als könne man es leicht verschließen. Sie sehnte sich nach Schlaf – einem langen, guten Schlaf, ohne die Schmerzen und Benommenheit, die unterwegs ihre Gefährten auf den langen Tagen und Nächten gewesen waren. Und ohne tamman konnte sie endlich schlafen – den letzten unschuldigen Schlaf, den sie für eine lange Zeit haben würde, was sie jedoch nicht wusste, noch unbeeinträchtigt von dem Grauen einer Erkenntnis, zu der sie am nächsten Morgen aufwachen würde.
    Als sie tatsächlich aufwachte, war sie so schwach, dass es ihr nicht einmal gelang, sich aufzusetzen. Dazu kam die noch andauernde Übelkeit, die noch schlimmer war als zuvor. Trotz dieser Schwäche war sie bei vollem Bewusstsein, zum ersten Mal seit Tagen, vielleicht Wochen – und plötzlich wurde ihr klar, dass sie keine Ahnung hatte, wie viel Zeit verstrichen war, seit sie für die braune Stute im Stall in Calabra bezahlt hatte. Sie stöhnte und presste die Finger gegen die Schläfen. Ihr Kopf fühlte sich an wie eine Schmiede an der Straße, wo ein Bataillon Pferde beschlagen wurde. Sie versuchte aufzustehen, um die wenigen Schritte zu dem Loch im Boden zu gehen, das als Latrine diente. Ihre Beine trugen sie nicht; schließlich kroch sie auf Händen und Knien dorthin und übergab sich heftig.
    Danach fühlte sie sich ein wenig besser, als hätte sie Gift ausgespuckt, das sie langsam tötete. Auf dem Boden neben dem Bett stand ein Tonkrug, halb voll mit Wasser; sie griff danach, spülte sich den Mund aus und nahm einige Schlucke. Es schmeckte abgestanden und merkwürdig, als hätten sich dort während der langen Standzeit Dinge eingenistet, von denen sie lieber nicht wissen wollte – aber es war sauber. Anghara wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und machte sich erst jetzt daran, ihre Umgebung genauer zu betrachten.
    Sie befand sich in einer Einzelzelle, die gerade so lang war, dass sie sich auf dem Strohhaufen, der ihr als Bett diente, ausstrecken konnte, und nicht breiter als fünf kurze Schritte von Wand zu Wand. Direkt über dem Stroh hing eine alte rostige Halterung in der Wand. Anghara musste sie eine Zeit lang anstarren, ehe ihr klar wurde, dass man daran eine Kette befestigen konnte. Es hatte ein Pendant dazu gegeben – nachdem Anghara wusste, wonach sie suchte, entdeckte sie das Loch in der Wand. Aber sie war entweder vor langer Zeit entfernt worden oder war schlichtweg herausgefallen. Die beiden Halterungen waren in genau der richtigen Entfernung voneinander, um einen Gefangenen mit ausgebreiteten Armen an der Wand zu befestigen.
    »Ich sollte dankbar sein, dass sie mich nicht in solche Ketten gelegt haben«, murmelte sie schaudernd vor sich hin.
    Abgesehen von diesen schrecklichen Einrichtungsgegenständen, dem Strohhaufen, dem
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