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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo
Autoren: Carla Federico
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Magenschmerzen. Blut schoss ihr in den Kopf, und dieser wurde ganz heiß. Sie konnte nicht deuten, in welche Richtung die Schritte führten, nahm aber schließlich den schwachen Geruch nach fauligem Fisch wahr. Offenbar befanden sie sich in der Nähe des Hafens. Vorsichtig hob sie den Kopf, konnte jedoch nichts erkennen, nur dass es plötzlich dunkler wurde. Es roch nicht länger nur nach Fisch, sondern nach Holzstaub. Vielleicht hatten sie eine jener Lagerhallen betreten, in denen ihr Bruder Julio oft seine Geschäfte abwickelte.
    Der Mann hob sie von seinen Schultern und warf sie zu Boden. Unsanft landete sie auf ihrem Hinterteil.
    »Und was stellen wir nun mit ihr an?«
    »Sie kann uns ein nettes Lösegeld einbringen.«
    »Warum sollten wir auf Geld pochen? Mit ihr in unserer Hand können wir Alejandro zwingen, uns die Argentinier auszuliefern.«
    Rosa rieb sich ihre schmerzenden Glieder und dachte über die Worte nach. In Montevideo waren viele Argentinier untergeschlüpft, die vor ihrem despotischen Präsidenten de Rosas geflohen waren. Dieser wiederum unterstützte die Blancos. In Alejandros Haus gingen die flüchtigen Argentinier ein und aus, und er schloss mit ihnen Geschäfte ab. Sie waren zwar nicht seine Freunde, aber der gemeinsame Feind einte sie.
    Rosa hob die Hand und zerrte den Sack von ihrem Gesicht. Sofort konnte sie befreiter atmen, und ihr Kopf glühte nicht mehr ganz so heiß. Die Männer achteten nicht auf sie, sondern diskutierten laut, was zu tun war. Sie zögerte nicht, diese Chance zu nutzen – vielleicht die einzige, die ihr blieb. Sie rollte blitzschnell zur Seite, sprang auf und lief ein paar Schritte. Die Lagerhalle war voller Boote, und sie stieß gegen eines und schrammte sich ihr Knie auf. Sie achtete nicht auf den Schmerz – zu nahe war die Tür, durch die sie sich nach draußen retten konnte. Schon hörte sie Stimmen und Schritte dahinter – von Menschen, die sie beschützen würden.
    Doch ehe sie um Hilfe rufen konnte, packte eine Hand ihr Haar und riss sie daran zurück. Ihr Schrei erstarb zu einem erbärmlichen Quieken.

2. Kapitel
    A lbert Gothmann fluchte, als er einmal mehr in einen Haufen Kuhscheiße trat. Zu Beginn seines Spaziergangs hatte er noch sorgsam darauf geachtet, genau das zu vermeiden, doch er hatte es satt, den Blick ständig gesenkt zu halten. Schließlich wollte er etwas von der Stadt sehen – und prompt war’s passiert.
    Mit angewiderter Miene rieb er seine Schuhe am Pflaster ab. Seit seiner Ankunft hatte er viele Briten klagen gehört, dass die Gebäude schrecklich vernachlässigt seien und die Straßen voller Pferdemist und Kuhscheiße. Bis jetzt hatte er sie für verwöhnt und kleinlich gehalten, aber mittlerweile hatte auch seine Begeisterung für die fremde Stadt gelitten. Jene Abenteuerlust, die ihn getrieben hatte, diese weite Reise anzutreten und zum ersten Mal in seinem Leben Europa zu verlassen, war schnell der Ernüchterung gewichen. Montevideo war alles andere als das exotische Paradies, das er sich zu Hause vorgestellt hatte. Es war gar nicht so fremdartig, nur ärmlicher, nicht zuletzt, weil es seit Jahren belagert wurde.
    Prüfend blickte er auf seine Schuhe: Trotz seiner Bemühungen war natürlich Dreck an den Sohlen haften geblieben. Hoffentlich stank er nicht danach. Als er weiterging, unterdrückte er ein Seufzen und bemühte sich, wieder das Positive zu sehen. Gewiss, Montevideo war ärmlich und heruntergekommen, aber auch sehr lebendig. Eben ging er durch eine Straße, in der Tabakläden sich mit Essständen und den Buden der öffentlichen Schreiber oder Notare und Geldwechselkontore abwechselten. Menschen strömten in Seidenwarenläden und Lebensmittelgeschäfte, Pulperías genannt und hauptsächlich von Italienern betrieben, deren Singsang man bis hinaus auf die Straße hörte. Übertönt wurden sie nur von den Händlern, die in kleinen Buden hockten und den Passanten ihre Ware anpriesen: Schuhe aus Córdoba, Zigarren aus Salta oder Kunstgewerbe aus San Juan.
    Albert waren diese Orte fremd, aber er blieb interessiert stehen und betrachtete die Waren. Da er allerdings nicht daran dachte, etwas zu kaufen, was nur wenig praktischen Nutzen versprach, wurde er von den enttäuschten Händlern wütend vertrieben.
    Oh, dieses südländische Temperament!, dachte er etwas überfordert und tupfte sich mit einem Spitzentaschentuch den Schweiß von der Stirn.
    Er floh in eine etwas ruhigere Gasse, wurde dort jedoch prompt von einem Barbier
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