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Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Elizabeth Chadwick
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Blick auf die Waffentruhe an der Wand. Gestern Nacht hatte sein in der Scheide steckendes Schwert nebst Schwertgurt noch dort gelegen und darauf gewartet, überprüft, gesäubert und verstaut zu werden, aber jetzt war beides verschwunden. Rogers Ärger schlug in Wut um. Das Schwert hatte er von seinem Onkel Aubrey, dem Earl of Oxford, geschenkt bekommen, als er zum Ritter geschlagen worden war. Diesmal war die diebische kleine Ratte zu weit gegangen.
    Mit zusammengebissenen Zähnen verließ Roger die Kammer und steuerte auf die neben der großen Halle gelegene Kapelle
zu, wo die Messe gerade zu Ende gegangen war und die Gottesdienstbesucher zur Tür hinausströmten, um ihren täglichen Pflichten nachzugehen. Roger verbarg sich hinter einer Säule, als sein Vater, in ein angeregtes Gespräch mit Robert, Earl of Leicester, vertieft, an ihm vorbeiging. Sie bildeten ein ungleiches Paar. Leicester war hochgewachsen, schlank und bewegte sich voller Anmut, seinem Vater hingegen war der Gang eines Seemannes auf dem Weg von seinem Schiff zu einer Aleschänke eigen. Sein Wanst drohte die Nähte seiner roten Tunika zu sprengen, und sein Haar fiel ihm in öligen aschgrauen Strähnen auf die Schultern.
    Rogers Stiefmutter Gundreda folgte ihnen mit Petronilla, der Countess of Leicester. Die Frauen nickten einander zu und bedachten sich mit einem Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. Zwischen ihnen herrschte keine Warmherzigkeit, obwohl sie Verbündete waren, denn keiner von beiden war das Talent gegeben, eine Freundschaft aufzubauen, und Gundreda neidete Petronilla ihr weltgewandtes Auftreten.
    Während sie ihren Weg fortsetzten, blieb Rogers suchender Blick an einem tiefblauen Kleidungsstück mit Silbersaum hängen – sein Halbbruder Huon kam, eine Hand an den Ledergriff eines sehr schönen Schwertes gelegt, aus der Kapelle stolziert. Huons jüngerer Bruder Will trottete seiner üblichen Rolle als unscheinbarer Schatten gemäß ein Stück hinter ihm her.
    Rogers Hand schoss vor, er packte seinen Halbbruder, riss ihn herum und schleuderte ihn gegen die Säule.
    »Hast du selber nichts, dass du alles stehlen musst, was mir gehört?«, zischte er. »Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst die Finger von meinen Sachen lassen?« Er legte dem Jungen seinen gesunden Arm um den Hals und löste mit der anderen Hand die Schnalle des Schwertgurtes.
    Huons vorgeschobene Unterlippe kräuselte sich verächtlich, aber in seinen Augen flackerte Furcht auf. Roger, dem beides nicht entging, verstärkte seinen Griff.
    »Wolltest du vor Lord Leicester auf und ab marschieren und mit einem Schwert prahlen, das zu tragen du noch viel zu jung bist?«
    »Ich bin ein würdigerer Träger als du!«, keuchte der Junge trotzig. »Du bist nur ein rückgratloser Feigling. Unser Vater hat das oft genug gesagt!«
    Roger lockerte seinen Griff, aber nur, um einen Fuß um Huons Knöchel zu schlingen und ihn zu Fall zu bringen. Dann stellte er sich breitbeinig über ihn und streifte seinem Halbbruder den entwendeten Umhang über den Kopf.
    »Machst du das noch ein Mal, trägst du den hier auf der Totenbahre!«, fauchte er. »Denn dann stoße ich dir mein Schwert ins Herz!«
    »Huon, wo bleibst du …« Gundreda, Countess of Norfolk, hatte sich zu ihren beiden Söhnen umgedreht und starrte die Szene, die sich ihr bot, fassungslos und erbost an.
    »Was tust du denn da?«, herrschte sie Roger an. »Lass ihn sofort los!« Sie schob Roger mit einem harten Stoß, in den sie ihr ganzes Gewicht legte, zur Seite.
    Hustend und würgend umfasste Huon seinen Hals.
    »Er hat versucht, mich umzubringen … und das im Haus Gottes … stimmt das nicht, Will?«
    »Ja«, erwiderte Will so krächzend, als sei er selbst gewürgt worden, vermochte aber niemandem in die Augen zu sehen.
    »Wenn ich die Absicht gehabt hätte, dich umzubringen, wärst du jetzt tot«, schnaubte Roger. Er warf seiner Stiefmutter und seinen Halbbrüdern einen flammenden Blick zu, bevor er mit dem Umhang über dem Arm und dem Schwert in der gesunden Hand die Kapelle verließ. Gundredas Schimpftirade
folgte ihm, doch er achtete nicht darauf, er hatte sich an derartige Schmähungen schon lange gewöhnt.

    »Ich hatte nicht genug Soldaten«, erklärte Roger seinem Vater. Sein Schwert hing jetzt an seiner Hüfte, und er empfand das Gewicht zugleich als Last und als Trost. Ein Mann sollte keine Waffe tragen müssen, um sein Selbstvertrauen zu stärken, dachte er, aber er fühlte sich in der Gegenwart seines
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