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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Autoren: Karl May
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Röthe der Erregung, welche stets die Wahrheit der Empfindung bestätigt und hier die seltene Weiße des Teints so vortheilhaft hervorhob.
    Das Herrlichste aber waren die Augen, Augen von einer so reinen, klaren und dabei doch gesättigten Bläue, daß ihr Spiegel im schärfsten Contraste zu dem dunklen Haare stand und durch diesen Gegensatz die Eindrucksfähigkeit des Gesichtes bis zum erreichbarsten Grade gesteigert wurde. Aber obgleich sich bei dem emporgerichteten Blicke die langen, seidenen Wimpern erhoben hatten, lag doch auf diesen wunderbaren Sternen ein Schleier, der seinen Schatten auch über die Züge warf und denselben einen leidenden, ja fast möchte ich sagen tragischen Anflug gab; es war dem erblindenden Auge der Zutritt des freundlichen, warmen Sonnenlichtes versagt. Und das war’s, was sie hier in der Einsamkeit des Waldes auf die Kniee niedergezogen und ihre Lippen zum Gebete eröffnet hatte. Ihre gefalteten Hände lagen schwer auf der Brust, und diese Brust hob und senkte sich unter dem Drange der Gefühle, welche aus einem sichtlich von Angst bewegten Herzen ihren Weg empor zum Himmel nahmen.
    Dem unberufenen Lauscher entging keins ihrer Worte. Er wagte kaum zu athmen, und erst als sie mit lautem Schluchzen geendet hatte und unter strömenden Thränen das ermattete Köpfchen sinken ließ, befreite sich seine Brust in einem tiefen, vollen Zuge von ihrer Beklemmung, und seine Hand fuhr trocknend über das in der Feuchtigkeit des Mitgefühles schwimmende Auge.
    »Mein Gott, wer ist dieser Engel? Sind jene Mährchen von Seen und übernatürlichen Wesen wahr, welche zuweilen einem Sterblichen erscheinen, um ihn durch ein für das Menschenherz unfaßbares Glück dem Erdenleben zu entfremden? Oder hat die Natur dies Meisterstück vollendet, um uns von der Armseligkeit unserer pinselhaften oder töpferischen Künstlerwerke zu überzeugen? Und wer so wie diese Heilige beten kann, der hat die Sünde noch nicht kennen gelernt und ist werth, an ein starkes, stolzes und treues Mannesherz gelegt und dort gehalten und getragen zu werden bis zum letzten Schlage des Pulses.«
    Da raschelte es in den Zweigen, und hart neben ihm drangen, ohne ihn zu bemerken, zwei Männer vorsichtig durch das Gebüsch. Der Eine ging in der Kleidung eines gewöhnlichen Forstläufers; der Andere aber gehörte jedenfalls einer besseren Stellung an und schien die Aufmerksamkeit des Handwerksburschen in ganz besonderem Maaße zu fesseln, denn derselbe war bei seinem Erscheinen in höchster Ueberraschung einen Schritt zurückgetreten und fixirte ihn aus seinem Verstecke hervor mit scharfem, durchbohrendem Auge.
    Er trug eng anliegende, weißlederne Hosen, welche in hohen, blankgewichsten Stiefeln staken; der blausammetne Rock mit rothtuchenen Schoß- und Aermelaufschlägen war mit thalergroßen Silberknöpfen verziert; auf der hochaufgethürmten Lockenperücke balancirte ein kleines, mit goldenen Borden besetztes Hütchen; an der linken Seite hing nach der Mode jener Zeit der schmale Stoßdegen, und die Rechte umfaßte ein langes, starkes, mit Elfenbeinknopf gekröntes Meerrohr.
    Es war eine hohe, breite, muskulöse und starkgliedrige Goliathgestalt, der man gleich beim ersten Blicke eine außergewöhnliche Körperstärke zusprechen mußte; doch war der Ausdruck der groben, zugehackten Gesichtszüge kein Vertrauen erweckender, zumal die kleinen, tiefliegenden Augen nur mit verstecktem Blicke unter den fleischigen, dickfaltigen Lidern hervorzudringen vermochten.
    »Beim heiligen Hubertus, welcher der Beschützer aller Vieh-und Mädchenjäger ist«, sprach er mit leiser Stimme, welche wie ein unterdrücktes Grunzen zwischen den breiten, aufgetriebenen Lippen hervordrang, »da ist sie endlich wieder einmal, die Rose von Ernstthal, wie sie hier von aller Welt genannt wird. Und der Kukuk soll mich holen, wenn dieser Name nicht ein passender ist, obgleich die Dornen zu fehlen scheinen; denn gestochen hat mich, so oft ich ihr auch nachgepürscht bin, das kleine Geschöpf doch nie, sondern ist mir stets und immer über die Netze gegangen. Heut aber steht sie mir schußgerecht, und ich werde diesmal so gewiß auf’s Blatt treffen, wie man mich den ›Blauweißen‹ nennt.«
    Mit rohem Lachen stieß er diese Worte hervor und schickte sich an, die letzte Hecke des Gebüsches zu durchbrechen. Da faßte ihn sein Begleiter bittend am Arme.
    »Laßt das sein, Herr Junker; das ist nichts für Euch, kein Edelwild, sondern nur einer armen Wittwe einziges
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