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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman
Autoren: Sylvia Lott
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gestorben?«
    »Nein, sie fühlten sich sehr elend, vielleicht glaubten sie, dass sie sterben müssten. Sie lagen dann auch eine Weile wie tot am Boden. Aber sie waren nur betäubt.«
    Miles’ Augen blitzten. Sie spazierten weiter durch den Garten. Zu vielen Gehölzen konnte Kathryn etwas Spannendes erzählen.
    »Gibt’s zu deinem Lieblingsrhododendron auch eine Geschichte, Grandma?«
    Sie zögerte etwas. »Ja, mein Schatz.«
    »Erzählst du sie mir?«
    »Jetzt nicht. Später.«
    »Wann später?«
    »Wenn ich achtzig werde.«
    »Versprochen?«
    »Ja, versprochen.«
    Vier Tage noch. Wieder spürte Kathryn einen Stich in der Brust. Dieses Mal war er eindeutig körperlicher Natur. Es lag an den Medikamenten. Sie halfen zwar gegen das Rheuma, doch dafür bescherten sie ihr andere Zipperlein. Ließ sie die Medikamente weg, verschwanden die Nebenwirkungen, aber der Schmerz und die schlechte Beweglichkeit kehrten zurück … Heute wollte sie viel erledigen, deshalb nahm sie vorsorglich noch eine Tablette.
    Lady Kathryn schrak zusammen. Die mächtige urtümliche Türglocke des Herrenhauses hallte bis in den Salon hinauf, sodass die Parfumfläschchen auf der Frisurkommode erzitterten und einen hellen Klang von sich gaben. Das musste ihr Lieblingsenkel Maximilian sein. Der Elfjährige, den sie meist zärtlich Miles nannte, hatte Sommerferien und wollte sie bei ihren Besorgungen für die Geburtstagsfeier begleiten. Rasch holte Kathryn noch eine Strickjacke, die im angrenzenden Schlafzimmer auf ihrem Bett lag, dann eilte sie die Gemäldegalerie entlang, so schnell es die schmerzenden Gelenke erlaubten, und anschließend die geschwungene Freitreppe hinab in die düstere Eingangshalle. Das Anwesen aus grauem Granitstein hatte hier nur wenige Fenster, was sie gut gegen Eindringlinge abschirmte. Aber üppige Blumengestecke setzten heitere Farbtupfer.
    Der Butler näherte sich gemessenen Schrittes, um die Tür zu öffnen. Kathryn warf einen Blick durch ein Guckloch, das die Vorfahren derer von Taintsworth schon vor Hunderten von Jahren neben der Eingangstür hatten einbauen lassen. Miles stand davor und machte Faxen.
    »Hallo, Grandma! Ich weiß, dass du guckst!«
    Sie riss sie Tür auf, bevor der Butler seines Amtes walten konnte und breitete die Arme weit aus. »Miles! Wie schön, dass du da bist!« Sie war die einzige Erwachsene, die den jungen Mann noch in der Öffentlichkeit herzen durfte.
    Miles rückte schnell seine Brille zurecht und fuhr sich mit den Händen durch den dunkelblonden Haarschopf. Seine Großmutter sollte es nun auch bitte nicht übertreiben mit dem Geschmuse in der Öffentlichkeit.
    »Willst du etwas essen oder trinken?«
    »Nö, Granny, lass uns gleich losfahren.« Ungeduldig wippte Miles auf und ab. Er trug ein grün-weiß gestreiftes Polohemd über seinen Blue Jeans und genoss es sichtlich, nicht in der Schuluniform seines Internats herumlaufen zu müssen. »Können wir den Minor nehmen?«
    »Eigentlich sollte uns Singh im Jaguar chauffieren, Darling. Ich bin nicht mehr die Jüngste.«
    »Ach, was. Du musst in Übung bleiben!« Er verlegte sich aufs Schmeicheln, sein Lächeln offenbarte bereits ein beachtliches Charmepotenzial. »Du bist doch noch fit, Granny, komm schon … Der Minor muss auch ab und zu bewegt werden, sonst rostet er ein.«
    »Wie ich, meinst du?«, neckte sie ihn. Vielleicht ist es heute das letzte Mal, dass ich mit meinem Enkel in ungetrübter Stimmung zusammen sein kann, schoss es ihr durch den Kopf. Sicher würde es nach der Preisgabe ihres Geheimnisses am Sonntag eine Weile dauern, bis sich die Wogen geglättet hätten. Der Junge würde zumindest befangen sein. Das Medikament begann zu wirken, sie spürte es daran, dass die Schmerzen nachließen und durch ein Engegefühl in ihrer Brust ersetzt wurden, aber sie scherte sich nicht darum. »Na gut!«, willigte sie ein. Kathryn nahm sich vor, Miles und sich einen wunderbaren Großmutter-Enkel-Tag zu schenken, an den er sich noch als Erwachsener gerne erinnern würde. »Nehmen wir den Oldtimer.«
    Alfred hatte ihr das ebenso niedliche wie praktische Fahrzeug zu ihrem fünfzigsten Geburtstag geschenkt, damit sie unkompliziert durch die sehr engen, von Steinwällen begrenzten Wege über die Insel fahren und Blumen oder größere Einkäufe transportieren konnte. Sie hing an dem Auto, einem Morris Minor Traveller, Baujahr 1959. Eine Art englischer Volkswagen mit Holzfachwerk, ein Vorbild an Zuverlässigkeit, das nicht nur ihr immer gute Laune
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