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Die Reliquie von Buchhorn

Die Reliquie von Buchhorn

Titel: Die Reliquie von Buchhorn
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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legte die Hand auf ihren Bauch und drehte sich schwerfällig zu Udalrich um. »Ich will, dass du nach St. Gallen reist.«
    »Wie bitte?«, entfuhr es ihrem Mann.
    Wendelgard nickte heftig. »Und ich werde mitkommen. Ich möchte ohnehin mit Wiborada sprechen.« Wieder legte sie ihre Hand über das ungeborene Kind, doch diesmal schien es eine unbewusste Geste zu sein. »Sonst … rege ich mich auf.«
    Udalrich warf Gudrun einen Hilfe suchenden Blick zu. Die alte Köchin zuckte nur die Achseln.
    »Udalrich?« Wendelgards Unterlippe zitterte.
    Der Graf hob beide Hände. »Oh, meinetwegen!«, rief er. »Wir fahren nach St. Gallen.«
    Wendelgard strahlte. »Und Wulfhard?«, fragte sie.
    »Mag bis dahin seine Pflichten weiter erfüllen.« Der Graf fixierte seinen Stallmeister drohend. »Aber wehe, du setzt auch nur einen Fuß vom Anwesen, ohne um Erlaubnis zu fragen. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Herr«, antwortete Wulfhard demütig. »Ich danke Euch, Herr!«
    »Dank ihr«, schnaubte Udalrich. Er legte seiner Frau den Arm um die Taille. »Und du legst dich hin und ruhst dich aus!«, befahl er.
    Wendelgard lächelte. »Was immer du willst«, hauchte sie.

II
    Abt Hartmann stand vor einem Lesepult. Den Besucher, den ein Mönch lautlos hereingeführt hatte, schien er gar nicht zu bemerken. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Schriftrolle, die vor ihm lag. Udalrich musterte den Abt von St. Gallen abschätzig. Er schätzte ihn auf jenseits der Fünfzig, gleichzeitig machte es die Tatsache, dass der Geistliche vollständig kahl war, schwer, sein Alter zu bestimmen. Die blanke Haut glänzte im Sonnenlicht, das durch die Fenster in die Bibliothek hereinfiel. Als der Abt den Kopf hob, sah Udalrich in durchdringende blaue Augen.
    »Willkommen, Graf.« Abt Hartmann sprach leise, doch seine tiefe Stimme wurde von den Wänden des hohen Saales zurückgeworfen. Ein stolzes Lächeln spielte um seinen beinahe lippenlosen Mund, als er das Interesse seines Gastes sah. »Schaut Euch nur um! In diesen Büchern liegt die Weisheit vieler Jahrhunderte verborgen.«
    Udalrich sah kurz zu den Handschriften und Pergamentrollen, die in den mannshohen Regalen gestapelt waren. »Beeindruckend«, sagte er höflich. »Ihr besitzt eine umfangreiche Bibliothek, aber ich bin nicht aus Gründen des Studiums zu Euch gekommen.«
    Der Abt strich mit den Fingerspitzen leicht über das Pergament, das er studiert hatte, ehe er sich mit einem leisen gelehrtenhaften Seufzer aufrichtete. »Das habe ich auch nicht erwartet. Schließlich ist jedes Wort in diesen Büchern lateinisch.« Er lächelte dünn.
    Udalrich erwiderte sein Lächeln kühl. »Ich gebe zu, dass ich vieles von dem vergessen habe, was mein Lehrer mir versucht hat beizubringen. Der arme Mann ist oft genug verzweifelt. Ich habe mich immer mehr für das Schwert interessiert, und meiner Erfahrung nach gewinnt man Kriege nicht mit Pergamentrollen.«
    »Und doch hat der weise Carolus Magnus Bildung jenseits der Klostermauern gefordert«, widersprach der Abt mit einem Hauch von Schärfe.
    »Ich werde das nächste Mal daran denken, wenn uns die Ungarn bedrohen«, erwiderte Udalrich spöttisch. »Bis dahin überlasst mich meinen weltlichen Pflichten. Und das bringt mich auch schon zum Grund meines Besuchs bei Euch, verehrter Abt und Nachbar.«
    Der Abt hob die buschigen Brauen, die in seltsamem Kontrast zu dem haarlosen Schädel standen. »Ich dachte, der Grund sei durchaus geistlicher Natur. Soweit ich unterrichtet bin, hat Eure Gemahlin bereits die ehrwürdige Wiborada aufgesucht. Sie war ja selbst einmal Inkluse, ehe das weltliche Leben sie erneut verlockt hat.«
    »Sie ist an die Seite ihres rechtmäßigen Gemahls zurückgekehrt!« Zum ersten Mal wurde auch Udalrichs Stimme lauter. »Aber wir wollen uns darüber nicht streiten. Wendelgard ist mit dem Segen der Kirche mein Weib, und es stimmt auch, dass sie um diese Reise gebeten hat, dennoch gibt es noch einen anderen Grund, der mich hergeführt hat.«
    Die Augen des Abtes blitzten verärgert auf. »Lasst mich raten, Graf. Es geht um jenen Mann, der sich einbildet, er dürfe fordern, dass ein Mönch meines Klosters von seinem Gelübde freigestellt wird.«
    Udalrich wechselte das Standbein. Er spürte, wie die alten Verletzungen zu schmerzen begannen, aber er hielt sich eisern aufrecht. »Wulfhard wünscht es allenfalls«, sagte er stolz. »Ich fordere es!«
    Der Abt schob die Hände in die Ärmel seiner Kutte, und seine Mundwinkel zuckten vor
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