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Die Rebenprinzessin

Die Rebenprinzessin

Titel: Die Rebenprinzessin
Autoren: Corinna Neuendorf
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weitestgehend aus dem Weg zu gehen, obwohl man ihm nachsagte, einen herausfordernden Blick zu haben, der Ärger regelrecht anzog.
    Warum sein Vater ihn ausgerechnet jetzt zurück auf die Burg gerufen hatte, wusste er nicht. Er hatte in dem Brief etwas von einer Familienangelegenheit erwähnt, aber nicht genau erklärt, worum es sich handelte.
    Obwohl Gernot von Bärenwinkel seinen ältesten Sohn dazu auserkoren hatte, eines Tages die Burg und das Weingut zu übernehmen, hatte er nichts dagegen gehabt, dass Martin zunächst das Studium der Rechtslehre aufgenommen hatte. Auch wenn er nie erlauben würde, dass sein Sohn als Advokat arbeitete, sah er es als förderlich an, dass ein zukünftiger Burgherr etwas vom Recht verstand. Außerdem sollte sich sein Sohn, wie der Graf es zu nennen beliebte, »die Hörner abstoßen«.
    Martin konnte nicht von sich behaupten, einer der besten Studenten zu sein, dennoch war sein Examen nicht in Gefahr. Außerdem bereitete ihm das Studium Freude. Nicht wegen des trockenen Stoffes, sondern wegen der Gelegenheiten, die ihm Padua bot. Eben das, was er unter »Hörner abstoßen« verstand.
    Martin, der bislang nur die väterliche Burg und die dazugehörigen Dörfer gekannt hatte, war von der neuen Art zu leben sofort verzaubert gewesen.
    Doch nun, da er die Alpen hinter sich gelassen hatte, verdunkelte sich sein Gemüt zusehends. Der fehlenden Sonne konnte er allerdings nicht die Schuld daran geben. Obwohl sich hier und da das Laub bereits färbte, war noch immer die Nähe des Sommers zu spüren. Es war vielmehr die Frage, warum sein Vater ihn zurückgerufen hatte, die sich wie eine Wolke drohend über ihm erhob.
    Ist der alte Herr etwa krank?, ging es Martin durch den Sinn. Oder hat ihn die unsinnige Idee überkommen, mich zu verheiraten? Martin war nicht gewillt, seine Freiheit aufzugeben, jedenfalls noch nicht. Außerdem wartete ein Mädchen in Padua auf ihn.
    Rosalina war die Tochter des Wirts, bei dem er sein Quartier gehabt hatte. Rotwangig wie Burgunder war ihr Gesicht, das Haar schwarz wie Pech, und die Augen waren grün wie Gras. Das Gold ihrer Haut war das Gold der Sonne. Wenn sie ihn in ihren Armen gehalten hatte, war es so, als rückten alle Schwierigkeiten seines Lebens von ihm ab.
    Bereits wenige Tage, nachdem er Padua verlassen hatte, hatte ihn die Sehnsucht nach Rosalina derart übermannt, dass er versucht war, die Nachricht seines Vaters zu ignorieren und einfach umzukehren. Doch er war kein gewissenloser Mann, daher war er am nächsten Morgen erneut in den Sattel gestiegen.
    »Je eher du dort bist, desto eher bist du wieder zurück«, hatte Rosalina ihm beim Abschied gesagt, und Martin glaubte fest daran.
    Bevor die Sonne den Zenit erreicht hatte, tauchte die väterliche Burg vor ihm auf. Sie lag auf der Spitze eines Weinbergs, dessen Hänge sich bis hinunter zum Ufer der Lahn erstreckten.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses erhob sich, stolz und wesentlich mächtiger, die Festung des Grafen von Katzenburg. Seit vielen Jahren war er mit dem Grafen von Bärenwinkel verfeindet.
    Während Martin den Blick in die Ferne schweifen ließ und dabei den Wehrturm der Katzenburg erblickte, fielen ihm wieder all die kleinen Streitereien ein, die sich sein Vater mit Rudolph von Katzenburg geliefert hatte.
    Mal ging es um den Wein, dann um den Fluss, zuweilen unterstellte der Graf von Bärenwinkel seinem Widersacher, dass er ihn bei den einflussreichen Leuten der Gegend madig machte, und den absurden Höhepunkt hatte die Behauptung gebildet, der Wehrturm der Katzenburg würde einen Teil seines Weinbergs verschatten.
    Martin hatte sich stets herausgehalten, aber er wusste, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem sein Vater von ihm forderte, die Rivalität fortzusetzen.
    Vielleicht schon jetzt? Seufzend wünschte sich Martin nach Padua zurück.
    Nachdem er den steilen Weg erklommen hatte, sprengte er durch das Burgtor, das mit dem Wappen derer von Bärenwinkel geschmückt war. Es zeigte einen Bären, der auf den Hinterbeinen stand und ein Schwert in der Pranke hielt, was auf die kriegerische Vergangenheit seines Geschlechts hindeutete.
    Ebenso wenig, wie sich an diesem Steinbogen geändert hatte, schien sich auch in der Burg verändert zu haben.
    Ein paar Hühner flatterten gackernd auf, und die Schweine brachten sich quiekend vor den Pferdehufen in Sicherheit. Mägde mit Wäschekörben unter dem Arm strebten dem Gesindehaus zu, wo sich auch die Waschküche befand. Ein
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