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Die Rebenprinzessin

Die Rebenprinzessin

Titel: Die Rebenprinzessin
Autoren: Corinna Neuendorf
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ausgeräuchert, so dass die Besucher des Klosters gefahrlos darin untergebracht werden konnten.
    »Meinem Vater geht es wirklich gut?«, fragte Bella, während sie sich dem Gebäude näherten. Noch immer tobte die Sorge in ihr. Der Wunsch, dass sie zurückkehren sollte, konnte durchaus darin begründet sein, dass seine Gesundheit angeschlagen war.
    Der Bote wirkte verwundert. »Warum denn nicht, gnädiges Fräulein?«
    »Na ja, meine Abreise kommt ziemlich plötzlich und erfolgt sicher nicht ohne Grund.« Bella musterte den Boten prüfend. Genauso gut hätte sie das Gesicht einer Marmorstatue betrachten können. »Sagt mir doch, was hat ihn dazu bewogen?
    »Den Grund kennt nur Euer Vater selbst«, entgegnete Heinrich Oldenlohe und blickte starr geradeaus auf den Weg. Bella war überzeugt, dass er log. »Aber ich kann Euch versichern, dass seine Gesundheit nicht der Anlass ist. Morgen werdet Ihr mehr erfahren.«
    Bella wäre am liebsten sofort aufgebrochen, aber wahrscheinlich würde er ihr die Bitte ohnehin nicht erfüllen, also fragte sie erst gar nicht.
    Am Gebäude angekommen, schob Bella den Riegel zurück und zog die Tür auf. Abgestandene Luft strömte ihnen entgegen, die mit dem Geruch nach Laken und Staub durchsetzt war.
    Die junge Frau schritt forsch voran, zu den Fenstern an der Hofseite. Der Bote, der ihr auf dem Fuße folgte, ließ kurz den Blick durch den Raum schweifen, dann schnallte er seinen Schwertgurt ab.
    Ein flatterndes Geräusch ertönte an der Decke des weitläufigen Raumes. Nachdem Bella ein paar Fensterläden geöffnet hatte, wurden nicht nur die leeren Schlafstätten sichtbar, sie erblickten auch eine Taube, die durch den Raum flatterte und nach einem Ausweg suchte.
    »Wenigstens ist es keine Fledermaus, das wäre ein schlechtes Omen gewesen«, bemerkte der Bote scherzhaft und öffnete auch den zweiten Türflügel. Der Lichtschein verbreiterte sich, und die Taube begriff, wohin sie fliegen musste, um dem Raum zu entkommen.
    Bella sah ihr kurz nach, dann begann sie, eine der Bettstellen zu richten. Es mochte für andere vielleicht seltsam wirken, dass sie, die Tochter des Grafen, einen Untergebenen ihres Vaters bediente. Bella dagegen fand nichts Schlimmes daran. Sie war nie hochmütig gewesen, und während der Zeit im Kloster hatte sie gelernt, dass alle Menschen Gottes Kinder und Diener waren.
    Nachdem sie die Laken glattgezogen und die Decke ausgebreitet hatte, blickte sie Heinrich Oldenlohe noch einmal prüfend an. Er weiß etwas, ging es ihr durch den Sinn. Er will es mir nur nicht sagen.
    »Ich wünsche Euch eine angenehme Ruhe«, sagte sie dann aber nur, denn obwohl die Ungewissheit sie wie eine lästige Mücke plagte, wusste sie, das der Bote nicht nachgeben würde. »Wenn Ihr etwas braucht, scheut Euch nicht, den Schwestern oder mir Bescheid zu geben.«
    Der Mann neigte dankend das Haupt, ehe er seiner Pritsche zustrebte. Bella wandte sich um und schloss hinter sich die Türen.
    Nachdem sie kurz nach der entfleuchten Taube Ausschau gehalten hatte, ging sie zum Küchenhaus. Unterwegs kam ihr die schwarz-weiß gemusterte Klosterkatze entgegen und schmiegte sich schnurrend an eines ihrer Beine.
    Als Kind hatte Bella ebenfalls einen Kater besessen. Sie sehnte sich nach wie vor nach ihrem treuen Begleiter aus Kindertagen, und es machte sie traurig, wenn sie daran dachte, dass er über all die Jahre hinweg vergeblich nach ihr gesucht hatte. Jetzt würde sie ihn vielleicht wiedersehen.
    Als die Katze ihres Weges zog, bemerkte Bella, dass Anna neugierig um die Ecke des Hauptgebäudes lugte. Da sie das Mädchen ohnehin zur Äbtissin schicken sollte, ging sie zu ihm.
    Ertappt wollte Anna schon die Flucht ergreifen, doch Bella hielt sie zurück. »Halt, warte!«
    »Ich wollte nicht schnüffeln«, verteidigte sich Anna sogleich.
    Bella bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln, dass sie ihr keine Vorwürfe machen wollte. »Die Mutter Oberin möchte, dass du zu ihr kommst.«
    Anna nickte, doch anstatt gleich loszulaufen, fragte sie: »Was ist denn nun mit dem Reiter? Warum bleibt er hier?«
    Offenbar hatte sie schon eine ganze Weile an der Ecke gestanden und das Geschehen beobachtet.
    »Er ist Gast des Klosters, zumindest für heute«, antwortete Bella. »Mein Vater hat ihn vorausgeschickt. Morgen wird in aller Frühe eine Kutsche vorbeikommen und mich abholen.«
    Annas Augen weiteten sich überrascht. »Wirst du heiraten?«, platzte es aus ihr heraus.
    »Nein, ganz sicher nicht«, wehrte Bella ab.
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