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Die Rebenprinzessin

Die Rebenprinzessin

Titel: Die Rebenprinzessin
Autoren: Corinna Neuendorf
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hingen an ihrer Haube. »Dem Herrn sei Dank, endlich finde ich dich!«
    »Was gibt es, Anna?«, fragte Bella überrascht.
    »Eine Nachricht ist für dich gekommen«, antwortete Anna schnaufend. »Du sollst unverzüglich bei der Mutter Oberin erscheinen.«
    Bellas Herz pochte schneller. »Was denn für eine Nachricht?«
    »Ich weiß es nicht. Ein Bote hat ein Pergament von deinem Vater gebracht. Sie haben mich sogleich losgeschickt, um dich zu holen.«
    Bella spürte, wie sich kalter Schweiß auf ihre Handflächen legte. Von meinem Vater?, dachte sie. Nachdem er so viele Monate nichts von sich hat hören lassen?
    Ihr Herz pochte heftig. War ihm vielleicht etwas passiert?
    »Ich komme«, entgegnete sie, und nachdem sie ihr Messer neben dem Korb abgelegt hatte, rannte sie mit Anna los.
     
    Der Weg durch den Weinberg zum Kloster kam Bella endlos vor. Unterwegs trafen sie auf einige Nonnen und den Pferdewagen, auf dem sich die bis zum Rand gefüllten Körbe stapelten, doch dafür hatte sie keinen Blick. Von Ungewissheit gequält, hätte sie die Novizin am liebsten überholt und mit sich gezerrt.
    Als die Klostermauern und der hoch aufragende Glockenturm endlich vor ihr erschienen, blieb sie kurz stehen, um zu verschnaufen. Die Furcht biss ihr wie ein Marder in den Magen. Was ist nur geschehen? Warum diese unerwartete Nachricht?
    Sie atmete tief durch, versuchte die peitschenden Fragen zu verdrängen und folgte Anna durch die kleine Pforte auf den Hof. Als Erstes sah Bella einen prachtvollen Rappen, auf dessen Satteldecke das Wappen ihres Vaters gestickt war. Das Tier war an einem der Ringe festgemacht worden, die in die hohe, aus Feldsteinen errichtete Klostermauer eingelassen waren. Als es die beiden Frauen witterte, drehte es den Kopf, schnaubte leise und wandte sich wieder den Grashalmen zu, die zwischen den Pflastersteinen wucherten.
    Bella war sicher, dass es sich bei dem Reiter um Heinrich Oldenlohe handelte, dem persönlichen Kurier und Waffenmeister des Grafen von Katzenburg. Während der Hussitenkriege diente er eine Zeitlang im kaiserlichen Heer, hatte sich dann aber dem Dienst beim Grafen Katzenburg verschrieben. Bella erinnerte sich noch gut daran, dass er ihr als Kind oft unheimlich erschienen war. Obwohl sie ihn schon lange nicht mehr gesehen und keinen Grund hatte, ihn zu fürchten, hatte sie noch immer großen Respekt vor ihm und seinem Schwert, denn kaum jemand konnte so gut mit der Waffe umgehen wie er.
    »Bella, nun komm schon!«, mahnte Anna sie, als sie erneut zurückfiel. »Ich will keinen Ärger bekommen.«
    Hektische Flecken brannten auf dem Gesicht der Novizin, die das Unglück hatte, die letzte von sieben Töchtern des Grafen von Waldeck zu sein. Noch hatte sie ihr Gelübde nicht abgelegt, aber wenn nicht bald ein Wunder geschah und ihr Vater einen reichen Bräutigam für sie fand, würde sie keine andere Wahl haben, als Jesus zu ehelichen.
    Am Bogengang des Haupthauses machten die beiden Mädchen schließlich halt.
    »Die Mutter Oberin erwartet dich in der Studierstube«, erklärte Anna und zupfte an den Zipfeln ihrer Haube. »Sie sagte, es wäre nicht für meine Ohren bestimmt, du sollst allein kommen.«
    »Danke.« Bella wandte sich um und eilte in Richtung Kreuzgang, der nicht nur zur Klosterkapelle führte, sondern auch zur Studierstube der Äbtissin.
    Durch diesen Gang schritten sie jeden Tag, wenn die Glocke sie zu den Gebeten rief. Davon gab es über den Tag verteilt sieben, und zuletzt waren sie vor Beginn der Weinlese zum Gottesdienst geeilt. Nun war sie hier ganz allein, und ihre Schritte hallten überlaut von den hellen Mauern wider.
    Wenn der Weinberg nicht bestellt werden musste, hielten sich die Schwestern, Novizinnen und Mädchen in ihrer Obhut im Skriptorium auf, um Abschriften anzufertigen und sich Wissen anzueignen. Doch der lange Raum mit den Schreibpulten, Regalen und Schränken, in denen man kostbare Schriftrollen aufbewahrte, war ebenfalls verwaist, und die Stille wirkte fast ein wenig unheimlich.
    Das Studierzimmer der Mutter Oberin lag direkt neben dem Skriptorium. Vor dem Eingang zur Kapelle bog Bella ab und durchquerte einen weiteren Gang, der so dunkel war, dass hier auch bei Tage Fackeln brennen mussten. Nachdem sie die Pforte des Skriptoriums passiert hatte, war sie am Ziel. Hinter der hohen eisenbeschlagenen Eichentür vernahm sie Stimmen. Die Äbtissin sprach über das Wetter und die Lese, ihr Gast antwortete ihr kurz und knapp.
    Nervös strich sich Bella das
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