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Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman

Titel: Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman
Autoren: Philip K. Dick
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dir zu gegebener Zeit, wie der Edwin Stanton konstruiert worden ist«, sagte Maury zu mir. »Wie wir das komplette Datenmaterial über Stanton gesammelt und es in der Universität von Los Angeles auf ein Magnetband haben übertragen lassen, um es der herrschenden Monade einzufüttern, die dem Simulacrum als Gehirn dient.«
»Weißt du, was du tust?« fragte ich angewidert. »Du ruinierst MASA, dieses Herumpfuschen, dieser Unfug – ich hätte mich nie mit dir einlassen sollen.«
»Ruhig«, sagte Maury, als der Stanton an der Tür läutete.
    Die Eingangstür öffnete sich, und da stand mein Vater mit Hose, Hausschuhen und dem neuen Morgenmantel, den ich ihm zu Weihnachten geschenkt hatte. Er war eine imposante Gestalt, und der Edwin Stanton, der mit seiner kleinen Rede begonnen hatte, verstummte und überlegte es sich anders.
    »Sir«, sagte er schließlich, »ich genieße das Vorrecht, Ihren Sohn Louis zu kennen.«
»Ah, ja«, sagte mein Vater. »Er ist zur Zeit in Santa Monica.«
Der Stanton schien nicht zu wissen, was Santa Monica war, und stand verloren da. Maury neben mir fluchte gereizt, aber ich fand es komisch, daß die Phantomgestalt dastand wie ein unfähiger Handelsvertreter, dem überhaupt nichts einfiel, so daß er stumm bleiben mußte.
Immerhin war es eindrucksvoll zu sehen, wie die beiden alten Herren sich gegenüberstanden, der Stanton mit dem geteilten weißen Bart und der altmodischen Kleidung und mein Vater, der nicht viel moderner wirkte. Die Begegnung der Patriarchen, dachte ich. Wie in der Synagoge.
Mein Vater fragte schließlich: »Wollen Sie nicht hereinkommen?« Er hielt die Tür auf, und das Ding ging hinein und verschwand; die Tür fiel zu.
»Was sagst du dazu?« sagte ich zu Maury.
Wir gingen hinterher. Da die Tür nicht abgesperrt war, konnten wir eintreten.
Im Wohnzimmer saß der Stanton, mitten auf dem Sofa, die Hände auf den Knien, und unterhielt sich mit meinem Vater, während Chester und meine Mutter weiter fernsahen.
»Pa«, sagte ich, »du vergeudest deine Zeit, wenn du mit dem Ding redest. Weißt du, was das ist? Eine Maschine, die Maury in seinem Keller für sechshundert Dollar zusammengebastelt hat.« Mein Vater und der Edwin Stanton verstummten und sahen mich an.
    »Dieser nette alte Mann?« fragte mein Vater und machte ein zorniges, rechthaberisches Gesicht; seine Brauen zogen sich zusammen, und er sagte laut: »Vergiß nicht, Louis, daß der Mensch ein schwankendes Rohr ist, das Zerbrechlichste in der ganzen Natur, aber, verdammt noch mal, ein denkendes Rohr. Das ganze Universum braucht sich nicht gegen ihn zu wappnen; ein Tropfen Wasser kann ihn töten.« Er zeigte erregt mit dem Finger auf mich und schrie: »Aber wenn das ganze Universum ihn zerschmettern würde, weißt du was? Der Mensch wäre trotzdem erhabener!« Er hieb mit der Faust auf die Armlehne des Sessels. »Weißt du, warum, mein Kind? Weil er weiß, daß er stirbt und ich will dir noch etwas sagen: Er ist dem gottverdammten Universum gegenüber im Vorteil, weil es keine Ahnung davon hat, was vorgeht. Und«, schloß mein Vater ein wenig ruhiger, »unsere ganze Würde besteht allein darin. Ich meine, der Mensch ist klein und kann Raum und Zeit nicht ausfüllen, aber er kann gewiß Gebrauch von dem Gehirn machen, das ihm Gott gegeben hat. Wie das, was du dieses ›Ding‹ nennst. Das ist kein Ding. Das ist ein Mensch, ein Mann. Hör zu, ich muß dir einen Witz erzählen.«
    Und er begann, halb auf jiddisch, halb auf englisch, mit einem Witz.
Als er fertig war, lächelten wir alle, wenngleich mir schien, daß das Lächeln des Stanton etwas förmlich, ja, sogar gezwungen wirkte.
Ich versuchte mir ins Gedächtnis zu rufen, was ich über Stanton gelesen hatte, und erinnerte mich, daß er als ziemlich rauher Bursche galt, vor allem, als er mit Andrew Johnson aneinandergeraten war und versucht hatte, ihn unter Anklage stellen zu lassen. Wahrscheinlich wußte er den Witz meines Vaters nicht zu schätzen, weil er während seiner Amtszeit dauernd ähnliches von Lincoln zu hören bekommen hatte. Aber es gab ohnehin keine Möglichkeit, meinen Vater aufzuhalten; sein eigener Vater war ein bekannter Spinoza-Gelehrter gewesen, und obwohl mein Vater selbst über die siebte Klasse nie hinausgekommen war, hatte er doch alle möglichen Bücher und Dokumente gelesen und stand im Briefwechsel mit Literaten auf der ganzen Welt.
    »Tut mir leid, Jerome«, sagte Maury zu meinem Vater, als eine Pause eintrat, »aber ich sage die
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