Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
denn er lachte. »Keine Sorge, du bekommst noch jede Menge Gelegenheit, dich erschießen zu lassen. Zieh dich bitte an, als würdest du zu einem Kunstvortrag oder ins Abbey Theatre gehen, und komm dann wieder. So kannst du uns mehr nützen.« Er grinste. »Du solltest aussehen wie eine junge Gräfin.«
    »Aber meine Webley gebe ich nicht her.«
    »Versteck sie unter den Kleidern.«
    Nach einer halben Stunde kehrte sie zurück. Willy nickte billigend. Auf ihre Frage, was sie tun sollte, sagte er nur: »Wart ab.«
    Um elf brachen die von den Aufständischen gebildeten Bataillone auf. Caitlin blickte ihnen nach. Aufgrund des Feiertags waren viele Menschen auf den Straßen, doch hatten sie die Volunteers schon bei früheren Gelegenheiten durch die Stadt marschieren sehen und nahmen offenbar an, dass es sich um eine Art Osterparade handelte. Niemand beachtete die Aufständischen weiter.
    Eine Stunde später trat zum großen Erstaunen der Passanten der Redner Pearse vor das Hauptpostamt und rief die irische Republik aus.
     
    Caitlin begriff schon bald, warum Willy sie gebeten hatte, sich umzuziehen. Schon einen Tag später gab es überall in der Innenstadt Absperrungen und Barrikaden. Vor allem das Hauptpostamt und das Gerichtsgebäude wurden unter heftigen Beschuss genommen. Auf den Dächern der Häuser lagen Heckenschützen. Immer mehr britische Soldaten trafen in der Stadt ein, um das gesamte Zentrum abzuriegeln. Einige Zeit später fuhr ein Kanonenboot den Liffey hinauf und beschoss die Stellungen der Rebellen. Caitlin konnte sich durch Botengänge nützlich machen, die keinen Verdacht erregten.
    Jetzt war die Zeit gekommen, ihr schauspielerisches Talent einzusetzen. Sie tat es mit Erfolg. Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass sie im Hauptpostamt ein- und ausgehen durfte. Dort betrieben die Frauen eine Küche und ein Feldlazarett. Auf Umwegen besuchte sie auch das Gerichtsgebäude. Über den Liffey gelangte sie zum St. Stephen’s Green, wo die Frauen ein weiteres Feldlazarett betrieben, zum Rathaus und zu anderen Orten. Allerdings wurde dies von Tag zu Tag schwerer. Stolz stellte sie fest, dass in den meisten besetzten Gebäuden schon bald Frauen die Männer als Heckenschützen ersetzten. Auf dem Weg zu Jacobs Keksfabrik begegnete sie einer bestens gelaunten Rita. »Die Fabrik hat mich gefeuert, also habe ich sie jetzt besetzt«, verkündete sie. »Und bevor wir gehen, essen wir noch alle Kekse auf!« Nur in Bolands Mühle begegnete Caitlin keiner Frau. Der Befehlshaber dort, ein hochgewachsener Ire amerikanischer Abstammung Anfang dreißig mit hagerem Gesicht und dem seltsamen spanischen Namen de Valera, sagte ganz offen: »Ich will keine Frauen unter meinem Befehl.«
    »Weil Sie fürchten, dass wir wegrennen?«, fragte Caitlin.
    »Überhaupt nicht.« De Valera lachte. »Die Frauen sind zu tapfer. Sie riskieren zu viel, und ich kann sie nicht zurückhalten.« Er schrieb eine Nachricht auf einen Zettel und bat sie, den Zettel zum Hauptpostamt zu bringen. »Was tun Sie mit dem Zettel, wenn Soldaten Sie festnehmen?«, fragte er.
    »Ich esse ihn auf«, erwiderte Caitlin kurz.
    Doch sie wurde nie von Soldaten festgenommen. Dagegen wäre sie ein Dutzend Mal fast von Heckenschützen erschossen worden. Sie erlebte oft, dass Dubliner, die eben mal hatten nachsehen wollen, was draußen passierte, von Heckenschützen oder Irrläufern getroffen wurden. Doch lernte sie rasch, welche Ecken und Kreuzungen gefährlich waren. Ein besonderes Geschick entwickelte sie darin, auf eine Gruppe englischer Soldaten zuzuradeln und sie um Hilfe für ihren weiteren Weg zu bitten. Eine Entschuldigung hatte sie immer parat. Sie musste ihren Kunstprofessor sprechen, im Theater den Text eines Schauspiels abholen oder ihre Großtante besuchen. Einmal lockerte sie die Fahrradkette, und als die Kette vom Zahnkranz sprang, ließ sie sich von Soldaten bei der Reparatur helfen. Manchmal wurde sie natürlich auch nicht durchgelassen und musste sich einen Umweg überlegen, um doch noch ans Ziel zu gelangen. Doch meist hielten die Soldaten die hübsche, höfliche junge Frau in den teuren Kleidern und mit den blitzenden grünen Augen für eine harmlose Adlige und ließen sie mit der Warnung passieren, sie solle sich in Acht nehmen.
    Vorwerfen konnte man ihnen das nicht. Schließlich hatten die Volunteers sich in den besetzten Gebäuden verbarrikadiert, und die Frauen trugen fast alle die eine oder andere Art von Uniform, auch wenn einige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher