Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
hatte er kaum noch Luft bekommen. Er hatte das Caitlin nicht gesagt, wozu auch? Schließlich hatte er sie geliebt. Ob er ihr das einmal sagen sollte? Er schloss die Augen.
    Hätte er sich nicht in Rathconan in Sicherheit gewähnt, er hätte die Schritte aus größerer Entfernung gehört. Jetzt aber waren sie nur noch zwei Meter von ihm entfernt. Das Gras dämpfte sie. Er öffnete die Augen immer noch nicht und versuchte zu erraten, wem sie gehörten. Caitlin nicht, dazu waren sie zu schwer. Seinem Vater? Möglich. Oder einem der Brennans? Auch möglich. Er lächelte und wartete.
    »Du schläfst?«
    Er öffnete die Augen. Das feiste Gesicht lächelte, die Augen nicht. Die doppelläufige Schrotflinte war nur einen halben Meter von seiner Nase entfernt.
    »Ich hörte den Auspuff eines Autos knallen und dachte, ich sehe mal nach. Man weiß dieser Tage nie, wer einen besucht.«
    Victor Budge. Willy hatte ihn ganz vergessen. Er hatte geglaubt, Budge sei nach England zurückgekehrt. Wenn die alte Rose Budge gestorben wäre und Victor das Gut geerbt hätte, hätte er bestimmt davon gehört. Allerdings war er aufgrund des Krieges in den vergangenen Monaten so viel unterwegs gewesen, dass er leider kaum Kontakt mit seinem Vater gehabt hatte.
    »Ist die alte Mrs Budge …?«
    »Sie ist gesund und munter und wartet immer noch darauf, sich in einen Falken zu verwandeln.« Victor Budge klang belustigt, doch die Schrotflinte blieb unverwandt auf Willy gerichtet. »Wir sind übereingekommen, dass ich mich schon jetzt um das Gut kümmere. Ich bin seit zwei Monaten hier und habe mich schon gefragt, ob ich dir eines Tages hier begegnen würde.«
    »Mast du keine Angst? Jemand wie du dürfte hier oben nicht sonderlich beliebt sein.«
    »Ich lasse es drauf ankommen. Wir zwei haben noch eine Rechnung zu begleichen. Du hast einen Freund von mir getötet, erinnerst du dich?«
    »Vielleicht. Das ist lange her.«
    »Finde ich nicht.«
    Caitlin hatte gesagt, sie hätte ihren Revolver dabei. Willy überlegte, wo er sein mochte. Caitlin trug ihn bestimmt nicht bei sich. Unter dem Sitz vielleicht? Er konnte versuchen, sich danach zu bücken, aber dann musste er sie auch finden. Gleich beim ersten Versuch. Vorausgesetzt, sein Bein ließ die Bewegung zu. Eine andere Möglichkeit fiel ihm nicht ein. Andererseits, wenn er sich nach der Waffe bückte, konnte es später so aussehen, als sei er zu feige gewesen, dem Tod ins Auge zu sehen.
    Er konnte auch versuchen, den Lauf von Budges Flinte zu packen. Abwegiger Gedanke. Budge würde ihm zuvorkommen und er würde sterben und dabei aussehen wie ein Idiot. Also lehnte er sich zurück.
    »Du willst mich einfach so kaltblütig erschießen?«
    »Wie einen Hund.«
    »Wie willst du das den anderen erklären?«
    »Brauche ich wahrscheinlich gar nicht, in Zeiten wie diesen.«
    »Dann sei verflucht im Namen Irlands.«
    ***
    Caitlin hörte den Knall, als sie gerade vor der Hütte der Brennans stand. Sie rannte sofort los. Beim Näherkommen sah sie Willy auf dem Boden vor dem Auto liegen. Ein Mann entfernte sich. Er trug ein Gewehr. Sie sah zu Willy hinunter. Sein Gesicht hatte sich in eine rote Masse aus Fleisch und Schrotkörnern verwandelt.
    Sie langte unter den Autositz und rief den Mann an. Der Mann drehte sich um. Sie erkannte ihn. Victor Budge, der Anführer der Black and Tans, die Willy gesucht hatten. Er erkannte sie auch. Das Mädchen, das die alte Rose gekannt hatte. Nachdenklich runzelte er die Stirn.
    »Sie haben ihn getötet«, rief Caitlin.
    »Na und?«
    Der Schuss traf ihn genau zwischen die Augen. Caitlin hatte ihre Treffsicherheit nicht verlernt. Sie starrte Budge einen Moment lang an und nickte. Dann drückte sie den Revolver Willy in die rechte Hand und schloss seine Finger darum.
    Sie hörte Stimmen und trat zurück. Einige Männer näherten sich, darunter der alte Fintan O’Byrne. Sie erkannte ihn sofort.
    Zuerst starrte er verständnislos auf das blutig entstellte Gesicht auf dem Boden. Dann trat Caitlin zu ihm und fasste ihn am Arm, und er begriff. Er neigte den Kopf und sank auf die Knie.
    So kniete er eine Weile neben Willy. Dann hob er den Kopf.
    »Die beiden haben einander erschossen?«
    »So muss es gewesen sein«, erwiderte Caitlin.
    »Mir war, als hätte einige Zeit zwischen den beiden Schüssen gelegen.«
    »Das ist unmöglich.«
    Er musterte Caitlin lange.
    »Nein. Offenbar habe ich mich geirrt.«
    Er erhob sich steif und ging zu Victor Budge hinüber, sah das Loch zwischen den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher