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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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Er konnte sich nicht vorstellen, dass sich der gut aussehende junge Held von einer solchen Kleinigkeit abhalten lassen würde. »Du willst sie doch treffen, oder?«
    »Oh ja, das will ich. Und wie ich das will.«
    »Soll ich ihr dann sagen, dass du kommst?« Und er erklärte, wie sich das Treffen bewerkstelligen ließ.
    »Ich muss mich wegschleichen, ohne dass mein Vater etwas merkt. Oder mein Bruder.« Patrick verstummte und sah den Quai hinab. »Ich komme, sobald ich fort kann. Vielleicht morgen. Oder ein, zwei Tage später. Sehr bald jedenfalls.«
    »Ich werde dort auf dich warten«, sagte Orlando.
    Und er wartete. Der Ort war gut gewählt, eine verlassene Kapelle am Rand des Walsh-Anwesens, die kaum jemand aufsuchte. Statt Anne, die nicht jeden Tag verschwinden konnte, ohne Misstrauen zu erregen, würde Orlando dort warten. Sobald Patrick Smith dort eintraf, sollte Orlando den kurzen Weg nach Hause rennen, Anne holen und vor der Kapelle Wache halten, während sie miteinander sprachen.
    Am folgenden Tag wartete er drei Stunden, bis es dämmerte. Tags darauf regnete es, aber er wartete trotzdem und kam völlig durchnässt nach Hause. Am dritten Tag klarte der Himmel auf, aber Patrick Smith erschien immer noch nicht. Genauso wenig am vierten Tag.
    »Warum kommt er denn nicht?«, klagte Anne und brach in Tränen aus. »Bin ich ihm denn gleichgültig?«
    »Er wird kommen. Er hat es mir versprochen«, rief Orlando. Und am nächsten Tag wartete er wieder. »Vielleicht sollte ich noch einmal nach Dublin reiten«, schlug er am Abend vor.
    »Nein, er wird sich nicht blicken lassen«, sagte Anne tonlos. »Warte nicht mehr auf ihn.« Und bald darauf hörte er sie weinen. Aber obwohl sie bleich und teilnahmslos wurde, wartete er noch mehrere Tage lang bei der Kapelle. Aber bis Lawrence kam und seine Routine durcheinander brachte, sah er keine Spur von Patrick Smith und hörte auch nichts von ihm.
    Als Lawrence ihn das erste Mal zu einem Spaziergang aufforderte, war Orlando sehr unruhig. Er wollte unbedingt wieder zum Treffpunkt zurückkehren, aber Lawrence ließ ihn einfach nicht gehen. Er stellte Orlando eine Frage nach der anderen.
    Er erkundigte sich sehr freundlich nach seinem Unterricht und unwichtigen Kleinigkeiten, um ihm die Unsicherheit zu nehmen. Schließlich sagte er: »Ich mache mir Sorgen um Anne. Es schmerzt mich, sie so leiden zu sehen. Glaubst du, sie liebt diesen Patrick wirklich?«
    »Ich glaube schon«, sagte Orlando.
    »Und was hältst du von Walter Smith?«
    Orlando gab seinen Eindruck so gut er konnte wieder, denn er hatte Walter Smith schließlich nur einmal getroffen. »Ich denke, er ist ein guter Mann«, gab er zu. Lawrence nickte beifällig.
    »Ähnelt er Patrick sehr?«, fragte er.
    »Nun ja …« Orlando wollte gerade antworten, da erkannte er die listige Falle, die ihm gestellt worden war. Innerlich verfluchte er seinen älteren Bruder. »Ich weiß es nicht. Anne sagt, Patrick sei größer.«
    »Hast du ihn noch nie gesehen?« Die dunklen Augen schienen bis in sein Innerstes zu blicken und jedes Geheimnis offenzulegen.
    »Als sie ihn kennen lernte, war sie mit unserer Mutter zusammen. Ich war nicht dabei«, antwortete Orlando kopfschüttelnd. Eine schlaue Antwort, die sogar stimmte.
    »Hm«, brummte Lawrence und sprach das Thema nicht mehr an. Kurz darauf ritt er nach Dublin und blieb den Rest des Tages dort. Am nächsten Morgen hörte Orlando zufällig eine Unterhaltung zwischen Lawrence und seinem Vater mit.
    »Sag es ihr selbst«, sagte Martin Walsh ungehalten.
    »Es ist das Beste so, das versichere ich Ihnen«, hörte Orlando die Stimme seines älteren Bruders. »Ich werde freundlich zu ihr sein.«
    Und dieses Versprechen hatte er offenbar gehalten.
    »Ich saß gerade auf der Bank vor dem Haus in der Sonne«, erzählte Anne später Orlando, »als er zu mir kam und sich neben mich setzte. Er war gütig. Er sprach von der Liebe.«
    »Lawrence hat über Liebe gesprochen?«
    »Ja. Anscheinend war er selbst auch einmal verliebt. Stell dir das vor!« Sie lächelte flüchtig und runzelte dann die Stirn. »Ich glaube, er hat die Wahrheit gesagt.«
    »Bedeutet das, er ist auf deiner Seite? Gegen Vater?«
    »Oh nein. Er sprach über Patrick. Und davon, dass die erste Liebe ein starkes Gefühl sei. Aber erst nach langer Zeit könnten wir wissen, ob der Charakter unseres Liebsten wirklich zu unserem eigenen passe. Dann fragte ich ihn: ›Und wie sollen dann jene glücklich werden, die mit einem Menschen
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