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Die Ratte des Warlords (German Edition)

Die Ratte des Warlords (German Edition)

Titel: Die Ratte des Warlords (German Edition)
Autoren: Johann Löwen
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zu Hause die Polizei. Auf der Wache brüllte sie wie eine Löwin alles zusammen, was ihr unter die Augen kam. Die Polizisten, den herbeigerufenen Schuldirektor, die Eltern der beiden Jungen. Sie hatte alle so eingeschüchtert, dass die aufgebrachten Eltern die Wache kleinlaut verließen, der Schuldirektor sich unter Omas Blick nervös entschuldigte und die Polizisten Kepler nur halbherzig rügten. Nach der obligatorischen Anmerkung, dass Gewalt keine Lösung sei und er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen sollte, durften er und Oma die Wache verlassen.
    Zu Hause hatte Jens Keplers blutiges Gesicht betrachtet und lange nachgegrübelt. Am nächsten Tag brachte er Kepler zu einer Kung-Fu-Schule. Er hoffte, der Sport würde seinem kleinen Bruder helfen, mit seinen Aggressionen umzugehen. Diese Hoffnung hatte sich aber nur sehr bedingt erfüllt.
    Der Kampfsport war für Kepler eine Erlösung. Er hatte keine Freunde und ke ine wie auch immer gearteten Hobbys, deswegen wollte er fast nichts anderes als trainieren. Er wurde im Kämpfen so gut, dass er mit vierzehn so weit war wie andere nach zwanzig Jahren Training. Jedoch nur, was die technische Seite anbetraf. Von Anfang an konnte Kepler nichts mit den Grundsätzen der Inneren Kampfkünste des Wundang-Kung-Fu anfangen. Er wollte zwar immer besser werden, aber nicht auf der geistigen Ebene, wie dieses Kung-Fu es auch anstrebte. Die Kampfkunst war für Kepler nie mehr als ein Können, das er erlernen und absolut beherrschen wollte. Ihm gefiel der Gedanke einfach nicht, dieses Können nicht einzusetzen, dann brauchte er es auch nicht zu lernen.
    Er war durch den Sport selbstsicherer und ruhiger geworden und er konnte se ine Aggressionen beherrschen. Aber er war sie nicht losgeworden und prügelte sich weiterhin aus jedem auch noch so nichtigen Anlass gern und lustvoll. Er nahm jede Gelegenheit dazu wahr und provozierte die Schlägereien oft. Aber er schlug niemals als erster zu, sondern verteidigte sich immer nur, wenn auch brutal. Kämpfen war lange fast das einzige, was er wollte und was er gut konnte.
    Mit vierzehn fand er in Rheine einen Verein, in dem Shaolin -Kung-Fu und andere härtere Kampfsportarten trainiert wurden. Kepler kam das mehr als gelegen. Er wollte sehr gut kämpfen können, nichts mehr, aber auch nichts weniger. Deswegen probierte er Taekwondo. In diesem Sport gab es noch weniger Philosophie, dafür mehr Schnelligkeit und Dynamik. Nach dem Taekwondo kamen andere Kampfarten, und nach und nach vermischte Kepler sie alle zu einem eigenen Stil. Die Erfüllung, die er beim Training hatte, bedeutete ihm so viel, dass er jeden Tag bei jedem Wetter mit dem Fahrrad nach Rheine fuhr. Er machte große Fortschritte, aber er suchte immer weiter nach jemandem, der ihm noch mehr beibringen konnte. Als er sechzehn war, fing in der Sportschule ein in sich gekehrter Chinese zu unterrichten an. Er schien innerlich ebenso von etwas zerfressen zu werden wie Kepler vom Tod seiner Eltern. Kepler und er wurden so etwas wie Freunde. Der Chinese, ein Meister der Äußeren Kampfkünste des Kung-Fu, erkannte Keplers Talent sofort. Er förderte es, und weil Kepler nicht besonders kräftig war, richtete der Meister sein Training auf Schnelligkeit aus. Nach einem Jahr hatte der Chinese ihn als seinen Schüler angenommen und lehrte ihn auch Mandarin. Nebenher brachte er ihm Dinge bei, die sonst niemals unterrichtet wurden, wie Dianxue, den entscheidenden Schlag. Damit konnte man so schlagen, dass der Gegner nicht einmal einen blauen Fleck hatte, aber gleichzeitig seine inneren Organe beschädigen, oder sehr schnell und präzise enorme Kraft punktuell aufbringen. Allerdings erforderte es viel Zeit und innere Ruhe, sodass der Meister Kepler nur die Grundzüge dieser Technik beibrachte.
    Kepler hatte schon als Kind einen wachen und schne llen Verstand. Er las viel, konnte sehr gut im Kopf rechnen und interessierte sich für Naturwissenschaften. Für Sprachen hatte er ein Gespür, Mandarin hatte er sehr schnell gelernt, genauso wie Englisch und Französisch in der Schule. Er ging aufs Gymnasium und lernte gut, aber das resultierte mehr aus seinem guten Gedächtnis und seiner schnellen Auffassungsgabe, denn aus seinen Bemühungen. Weil ihn der Stoff in der Schule nicht sonderlich interessierte, lernte er dermaßen halbherzig, dass es sogar ihm selbst als völlig unzureichend vorkam. Die Lehrer stöhnten oft geradezu wegen seiner Intelligenz, die er mit seiner Faulheit systematisch
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