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Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition)
Autoren: Philippe Djian
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sogar ein bisschen unterhalten –, aber er war gerade über Funk verständigt worden, ein Auto hätte das Schaufenster eines Juweliergeschäfts im Zentrum eingerammt. Millionen Euro hatten sich verflüchtigt.
    Was für ein spannender Beruf. Der herannahende Frühling machte ihn bestimmt noch angenehmer – man ließ den Arm aus dem heruntergekurbelten Fenster hängen, konnte anhalten und etwas trinken, ohne sich rechtfertigen zu müssen, konnte hübsche Frauen beschatten, auf Kosten des Steuerzahlers mittagessen, eine Waffe tragen usw., hatte der Polizist ihm erklärt. Ein Beruf voller Abenteuer, und noch dazu an der frischen Luft.
    Wie auch immer, niemand hatte die besagte Barbara und ihn an diesem Abend zusammen hinausgehen sehen. Eine grundlegende Vorsichtsmaßnahme, die er immer beachtet hatte, seit er sich auf diese Art von Beziehungen einließ. Mit einer Studentin zu schlafen fand auch heute noch wenig Zustimmung, und es kam nicht selten vor, dass man seine Stelle verlor, wenn man einmal vor den Disziplinarausschuss gestellt worden war – er machte meistens Schluss, bevor es Schwierigkeiten gab, man sie Arm in Arm erwischte, also kurz gesagt die Vorsicht nachließ. Er hatte sich an die Arbeit hier gewöhnt. Er hatte nicht die geringste Lust, seine Stelle für Dinge aufs Spiel zu setzen, die er selbst als Zerstreuungen und Nebensächlichkeiten betrachtete.
    Der Himmel leuchtete. Er räumte seine Sachen auf und klemmte sich einen Stapel Arbeiten unter den Arm. Als er zur Tür ging, stand die Sonne gerade im Zenit. In der Cafeteria schlang er ein Sandwich hinunter, denn es war recht unwahrscheinlich, dass Marianne ihnen einen deftigen Eintopf zubereitet hatte. Der Tod von Barbara hatte ihm zunächst einmal den Appetit verdorben, aber an diesem Morgen fühlte er sich besser, und für die Ruhe, die er gegenüber dem Polizisten bewahrt hatte, diese Kaltblütigkeit und den hervorragenden Auftritt, den er hingelegt hatte, hatte er eine Belohnung verdient – obwohl ihm die Prüfung nicht sonderlich schwergefallen war, denn er befand sich in seinem Revier, hinter seinem Dozentenschreibtisch, und der Polizist hatte sich in einer schwächeren Position gefühlt. Zeitweise, wie gerade jetzt wieder, ernährte sich Marianne ausschließlich von Magerquark mit 0   % Fett, ohne dass er hätte erklären können, warum – genauso wenig wie sie selbst übrigens, aber das tat nichts zur Sache.
    Mit ein paar Münzen in der Hand begab er sich zum Kaffeeautomaten. Er zündete sich eine Zigarette an. Er hatte schon so manches Bußgeld kassiert, weil er gegen das Rauchverbot an öffentlichen Orten verstoßen hatte, aber er konnte nichts dafür. Man hatte ihn vergiftet. Man hatte ihm die stärkste aller Drogen verabreicht, von allen Drogen verursachte sie die größte Abhängigkeit. Diese verfluchten Männer, diese Zigarettenfabrikanten, diese Agenten des Bösen, diese ausgemachten Dreckskerle waren echte Genies, fantastische Chemiker.
    Er stand mit dem Rücken zum Raum und sah den Möwen zu, wie sie über dem See durch die Luft segelten. Die Maschine mahlte seinen Kaffee, ein Becher fiel heraus und nach ihm ein Stäbchen zum Umrühren, als eine Hand seine Schulter streifte.
    Er konnte nur äußerst selten eine zu Ende rauchen, ohne dass eine Zwanzigjährige entsetzt die Augen verdrehte und meinte, sie hätte keine Lust, wegen ihm Kehlkopfkrebs zu bekommen. Er seufzte, setzte ein gezwungenes Lächeln auf und drehte sich um. Er wusste, dass er kein gutes Beispiel abgab – wenn er sich von Kopf bis Fuß in seinen geliebten Nikotinduft einhüllte. Vor ihm stand eine bald fünfzigjährige, ziemlich gut aussehende Frau. Eine solche Erscheinung war auf dem Campus eine Seltenheit, aber er empfand sie als sehr angenehm – früher oder später bekam man zu viel von der ewig straffen Gesichtshaut.
    »Ich bin die Mutter von Barbara«, sagte sie.
    »Oh, tut mir leid. Sehr erfreut«, antwortete er und streckte ihr unvermittelt die Hand hin.
    Viele Studentinnen konnten dem Wunsch nicht widerstehen, sich ihrer Mutter anzuvertrauen – obwohl er sie dringend gebeten hatte, den Mund zu halten. Ein Geheimnis zu bewahren ging anscheinend für die meisten von ihnen über ihre bescheidenen Kräfte. Wenn er jemals Schwierigkeiten gehabt hatte, war das der Grund gewesen. Er war sofort auf der Hut – eines Tages hatte ihm eine Mutter ihr Glas ins Gesicht geschüttet, als er gemütlich bei der Anlegestelle zu Mittag aß.
    Sie nahm seinen Arm und sagte:
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