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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
Autoren: Tyler Hamilton
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damit aufzuhören. Ich weiß, es ist eine blöde
Angewohnheit. Aber es hilft bei all dem Stress. Oder zumindest fühlt es sich so
an.«
    Wir gingen in ein Restaurant, aber Hamilton war es dort zu voll, und
deshalb suchten wir uns ein leereres am Ende der Straße. Hamilton verzog sich
mit mir ganz nach hinten in eine Nische, auf dem Tisch brannten zwei Kerzen. Er
sah sich um. Und dann hatte es plötzlich den Anschein, als wolle der Mann, der
jeden Schmerz ertragen konnte – der sich eher die Zähne ausbiss als aufzugeben –, anfangen zu weinen. Aber nicht aus Kummer, sondern vor Erleichterung.
    »Sorry«, meinte er nach einer Weile. »Es fühlt sich einfach nur so
gut an, endlich darüber reden zu können.«
    Ich begann mit der wichtigsten Frage: Warum hatte Hamilton zuvor
gelogen, als es um sein eigenes Doping ging? Hamilton schloss die Augen. Als er
sie wieder öffnete, bemerkte ich die Traurigkeit in seinem Blick.
    »Ja, ich habe gelogen. Ich dachte, damit würde ich am wenigsten
Schaden anrichten. Versetz dich mal in meine Lage. Wenn ich die Wahrheit gesagt
hätte, wäre alles vorbei gewesen. Der Team-Sponsor hätte sich zurückgezogen,
und fünfzig Leute, fünfzig von meinen Freunden, hätten ihren Job verloren.
Menschen, die mir wichtig sind. Hätte ich die Wahrheit gesagt, wäre ich für
immer aus dem Geschäft gewesen. Mein Ruf wäre ruiniert gewesen. Du kannst keine
halben Sachen machen – du kannst nicht einfach sagen, oh, das war nur ich, nur
dieses eine Mal. Die Wahrheit ist zu groß, sie betrifft zu viele. Entweder du
erzählst 100 Prozent oder gar nichts. Es gibt nichts dazwischen. Also habe ich
mich entschieden zu lügen. Ich bin nicht der Erste, der das getan hat, und ich
werde auch nicht der Letzte sein. Wenn man lange genug lügt, glaubt man es
manchmal schon selbst.«
    Vor ein paar Wochen, erzählte mir Hamilton, sei er zur Untersuchung
vorgeladen, unter Eid gestellt und in einem Gerichtssaal in Los Angeles in den
Zeugenstand gerufen worden.
    »Bevor ich hineinging, habe ich lange darüber nachgedacht. Mir war
klar, dass ich das Gericht auf keinen Fall anlügen durfte. Aber wenn ich schon
die Wahrheit sagte, dann wollte ich das ganze Programm durchziehen. Zu hundert
Prozent alles offenlegen. Keine Frage sollte mich aufhalten. Und so war es dann
auch. Ich sagte sieben Stunden lang aus. Ich beantwortete jede Frage, so gut
ich konnte. Man fragte mich ständig nach Lance – ich sollte mit dem Finger auf
ihn zeigen. Aber ich deutete immer zuerst auf mich selbst. Ich machte ihnen
klar, wie das ganze System funktionierte, wie es sich mit den Jahren
entwickelte, und dass man nicht einfach eine einzelne Person herausgreifen
konnte. Es ging um alle. Alle.«
    Hamilton krempelte die Ärmel hoch, drehte seine Handflächen nach
oben und streckte die Arme aus. Er deutete auf seine Armbeugen, auf die nahezu
identischen spinnwebartigen Narben entlang seiner Adern. »Wir alle haben solche
Narben«, erklärte er. »Wie ein Tattoo von einer Bruderschaft. Wenn die Haut
gebräunt war, waren sie besonders deutlich zu erkennen, und ich musste jedes
Mal lügen; ich behauptete, ich hätte mich bei einem Sturz geschnitten.«
    Ich fragte Hamilton, wie er es all die Jahre geschafft habe, nicht
positiv getestet zu werden, und er lachte trocken.
    »Es ist ganz leicht, bei den Tests zu mogeln«, sagte er. »Wir sind
den Tests weit, weit voraus. Sie haben ihre Ärzte und wir unsere, aber unsere
sind besser. Und mit Sicherheit besser bezahlt. Außerdem möchte die UCI [Union Cycliste Internationale, der
Radsport-Weltverband] bestimmte Burschen gar nicht erwischen. Und warum? Weil
es sie Geld kosten würde.«
    Ich fragte ihn, warum er seine Geschichte gerade jetzt erzähle.
    »Ich habe so viele Jahre geschwiegen«, meinte er. »Ich habe es so
lange mit mir herumgetragen. Ich habe es nie wirklich von Anfang bis Ende
erzählt, und deshalb ist es mir auch nie so richtig klar geworden. Als ich
anfing, die Wahrheit zu sagen, spürte ich, wie dieser gewaltige Damm in mir
brach. Es fühlt sich so gut an, alles zu erzählen, ich kann dir gar nicht
sagen, wie phantastisch es ist. Endlich bin ich diese enorme Last los, und ich
weiß, dass ich das Richtige tue, für mich und für die Zukunft meines Sports.«
    Am nächsten Morgen traf ich mich mit Hamilton in meinem
Hotelzimmer und legte drei Grundregeln fest.
Kein Thema sollte tabu sein.
Hamilton sollte mir Zugang zu seinen Tagebüchern, Fotos und
Quellen gewähren.
Sämtliche Fakten
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