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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai
Autoren: Laura Joh Rowland
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Schwertern, die in wilder Unordnung im Schlamm lagen. Doch es war zu spät. Odas Truppen kamen wie ein Sturmwind über die Feinde und schlachteten sie zu Hunderten ab. Das Klirren stählerner Klingen hallte von den Hängen wider. Gewehre krachten und stießen schwarze Rauchwolken aus. Pfeile sirrten durch die Luft und bohrten sich mit dumpfem Aufprall in Fleisch und Knochen. Das mörderische Gebrüll der Angreifer wurde von Todesschreien beantwortet. Bald überdeckte der metallische Gestank von Blut die sommerlichen Gerüche nach frischer, feuchter Erde und Regen.
    Fürst Oda ritt in die tobende Schlacht hinein. Das Schwert hoch erhoben, griff er direkt den feindlichen Heerführer an: Fürst Imagawa, der allein und ungeschützt dastand. Ein gekonnter Schwerthieb, ein triumphierender Schrei Odas, und Imagawa lag tot am Boden.
    Voller glühender Leidenschaft und Bewunderung zog der Jäger sein Schwert und stürzte sich ins Getümmel. »Mein Leben dafür, Euch dienen zu dürfen, Fürst Oda!«

    Der alte Mann hatte nun fast den Türeingang erreicht. Der Jäger konnte die pfeifenden Atemzüge des Alten hören. Sein Schwert, das er bereits für die längst vergangene Schlacht gezogen hatte, lag in seiner Faust. Heiße Kampfeslust loderte in seinem Inneren, als er aus den Schatten glitt, um seinem Opfer den Weg zu versperren. Der alte Mann stieß einen leisen, erschreckten Schrei aus und verharrte regungslos, eine Hand wie zu einer flehentlichen Geste erhoben.
    Der Jäger hob das Schwert, das er mit beiden Händen gepackt hatte, und schlug in einer fließenden Bewegung zu. In einem silbernen, schwungvollen Bogen flirrte die Klinge von links nach rechts durch die Luft und durchtrennte säuberlich den Hals des alten Mannes. Der abgetrennte Kopf fiel zu Boden und rollte ein paar Schritte zur Seite, bevor er mit dem Gesicht nach oben im Schlamm der Straße liegenblieb. Ein Blutschwall, der im trüben Licht schwarz aussah, schoß aus dem Halsstumpf hervor; dann fiel der Körper haltlos in sich zusammen und stürzte zu Boden.
    Von der strahlenden, wärmenden Flamme des Sieges erfüllt, betrachtete der Jäger die verstümmelte Leiche zu seinen Füßen. Er sah die Überreste seines Feindes aus der Jetztzeit, doch zugleich konnte er die gefallenen Körper toter und verwundeter Imagawa-Soldaten in der Schlucht erblicken. Wie gern wäre er hier stehen geblieben und hätte im Geiste auch noch den kurzen, letzten Teil der Schlacht von Okehazama ausgekämpft!
    Doch er durfte nicht zulassen, daß seine Phantasie ihn vergessen ließ, wo – und in welcher Zeit – er sich befand, oder die Gefahr, die er heraufbeschwor, wenn er am Ort des Mordes blieb, den er soeben begangen hatte. Überdies hatte er noch viel Arbeit zu verrichten, bevor die Tore Edos geschlossen wurden. Er schob sein Schwert in die Scheide, hob den abgetrennten Kopf auf und steckte ihn unter seinen Umhang. Dann eilte er durch die nebligen Straßen und Gassen davon.

    Die zurückkehrenden Truppen strömten in einer Woge wilder Erregung in die Festung Kiyosu. Lachen und donnernde Hochrufe ließen die Palisadenmauern erbeben. Die finstere Verzweiflung des Morgens war überschäumender Begeisterung gewichen. Die Schlacht von Okehazama war schon kurz nach ihrem Ausbruch zu Ende gewesen – und Fürst Oda war der Sieger. Fürst Imagawa war tot; die wenigen Soldaten seines Heeres, die dem Gemetzel entronnen waren, hatten von Panik erfüllt die Flucht ergriffen. Die Provinzen Mikawa, Totomi und Suruga gehörten jetzt Oda, und der Weg für seinen Marsch auf die Hauptstadt Kyōto war frei. Die Siegesfeiern würden die ganze Nacht andauern, und die Krieger würden sie mit viel Wein und Gesang und lärmender Fröhlichkeit begehen. Zuerst aber fand das feierliche Ritual statt, mit dem Fürst Odas überwältigender Triumph gewürdigt wurde.

    Allein in dem beengten Zimmer, das von einer einzigen flackernden Öllampe beleuchtet wurde, kniete der Jäger nieder und wickelte den abgetrennten Kopf aus. Behutsam wusch er seine blutige Trophäe in einem Eimer Wasser und trocknete sie mit einem sauberen Tuch ab.
    Neben ihm lag ein viereckiges Brett auf dem Boden, durch das ein langer spitzer Dorn aus Eisen getrieben war, der in der Mitte des Brettes emporragte. Der Jäger drückte den Kopf auf den Dorn und ächzte vor Anstrengung, als er den abgetrennten Schädel so tief hinunterpreßte, bis der Dorn durch den ganzen Kopf bis ins Hirn gedrungen war und der Halsstumpf flach auf dem Brett auflag.
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