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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Autoren: Richard Doetsch
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ehemaligen Gewerbe vonnöten waren, hatten sich schnell wieder eingestellt, als er seinen Haltegurt an dem Seil sicherte, an dem er nach unten geglitten war. Dann drückte er den Kontrollknopf, ohne auch nur einen Augenblick zu verschwenden. Rasend schnell wurde er durch die Dunkelheit nach oben gerissen, sechs Stockwerke in weniger als vier Sekunden, und landete hinter der Fahrstuhltür auf dem Dach.
    Vorsichtig öffnete er die Tür und hielt Ausschau nach den Wachen, aber überraschenderweise war niemand zu sehen. Er amtete durch, stieg auf das Dach und blickte auf die Stadt Genf hinunter. Wieder fiel frischer Pulverschnee und schuf einen Schneekugel-Effekt über der Architektur. Die Rhone mäanderte durch die Stadt, bevor sie durch Arles strömte, wo Vincent van Gogh den Fluss in der »Sternennacht über der Rhône« auf Leinwand gebannt hatte. Heute Nacht waren keine Sterne am Himmel; dennoch war die schweigende Stadt zu dieser späten Stunde immer noch voller Schönheit.
    Michael dachte an Genevieve und daran, wie sehr sie diese Stadt geliebt hätte, deren Namen dem ihren so ähnlich war. Als er daran dachte, wie plötzlich sie gestorben war, legte sich für einen Moment ein Lächeln auf seine Lippen, weil er ihren letzten Wunsch erfüllt und ihre allerletzte Sehnsucht gestillt hatte.
    Aber die Heiterkeit war nur von kurzer Dauer.
    Die Tür zur Feuertreppe flog auf. Schüsse peitschten, bevor Michael seinen Verfolger überhaupt sah. Er rannte zu der Wand, an der sich die Brüstung befand, sicherte sich an dem zuvor dort festgehakten Seil und begann mit dem Abstieg. Sofort peitschten Schüsse von unten, und die Ziegel um ihn her zerbarsten. Michael hievte sich zurück über die Mauer und rannte auf die andere Seite, wobei um ihn her die ganze Zeit die Kugeln zischten und von den Wänden hinter der Brüstung abprallten. Endlich sah er den Mann, der es hier oben auf dem Dach auf ihn abgesehen hatte: Er war ganz in Schwarz gekleidet, hielt seine Pistole mit beiden Händen, hatte die Knie leicht gebeugt und die Arme leicht angewinkelt. Keine Frage, der Kerl war ein Profi. Michael blieb nicht stehen, um ihm ins Gesicht zu sehen; er rannte weiter zur Außenkante des Gebäudes und schwang sich in die Lüfte, ohne zu zögern. Fünf Stockwerke über der Straße flog er viereinhalb Meter durch die Luft und landete hart auf dem Dach des angrenzenden Gebäudes, genau in der Mitte des nackten flotten Dreiers. Die Mädchen kreischten, als Michael an ihnen vorüberrollte, während der Junge herumkroch und panisch nach seiner Hose suchte.
    Michael sprang auf und rannte sofort los. Dabei zog er ein Seil von seinem Rücken, befestigte es am Klettergurt um seine Taille und lief weiter übers Dach. Auf der Außenseite blieb er stehen, band das Seil an einer Dachlüftung fest und tauchte über die Seite ab. Fast zwanzig Meter rutschte er am Seil in die Tiefe, wobei die Reibung seine Handschuhe zerfetzte. Mit einem dumpfen Aufprall landete er auf dem Bürgersteig. Er drehte sich nicht um, als er die Rue de Mont Blanc hinuntersprintete. Er wusste, dass seine Verfolger ihn bald einholen würden.
    Und da waren sie auch schon, inzwischen zu dritt. Sie kamen rasch näher. Michael rannte, so schnell er konnte. Es lag zweifellos ein gewisser Reiz darin, gejagt zu werden, wenn die Erregung sich mit einem Hauch von Furcht mischte. Man konnte beinahe süchtig danach werden. Aber es war eine Sucht, der man sofort entsagte, wenn man geschnappt worden war. Und Michael hatte nicht die Absicht, sich heute wegen seiner Sucht behandeln zu lassen. Er genoss den Moment, und die Furcht ließ seine Beine noch schneller rennen.
    Der Schneefall und der Wind nahmen zu. Die Straße wurde glitschig, und Michael musste aufpassen, dass er nicht ausrutschte. Dabei war das im Moment seine geringste Sorge. Er brauchte seine ganze Konzentration, um den Autos und Hindernissen auszuweichen, die vor ihm auftauchten, und den Vorsprung vor seinen Verfolgern zu halten. Er dachte an Genevieve, die ihr Leben bei einem Lawinenunglück verloren hatte; er dachte an ihre flehenden Worte und an das Gemälde in seinem Rucksack und rannte weiter. Er würde ihren letzten Wunsch erfüllen.
    Vor ihm erschien nun die Brücke. Sie spannte sich über die fünfhundert Meter breite Rhone. Vereinzelte Eisschollen trieben auf dem kalten Wasser. Die Brücke war Michaels Ziel, aber sie konnte ebenso der Ort sein, an dem alles den Bach unterging. Die Brücke war ein Engpass und bot Michael
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