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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Autoren: Richard Doetsch
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keine Deckung und keine Chance, sich irgendwo in Sicherheit zu bringen, falls es plötzlich Kugeln hagelte. Die Straßen führten in sämtliche Richtungen und würden ihm zumindest vorübergehend Zuflucht bieten – Gebäude und sogar Tunnel, wo es Gelegenheiten gab, seine Verfolger abzuschütteln. Fast alles versprach bessere Aussichten als die Brücke.
    Und dann waren sie da, kamen auf der anderen Seite des Flusses zum Stehen: sechs Polizeiwagen mit flackernden Blaulichtern. Polizisten sprangen mit gezogenen Waffen aus den Fahrzeugen.
    Michael schaute zu den Nebenstraßen und dachte einen Augenblick nach; die Worte, die Simon am Grab gesprochen hatte, hallten in seinem Kopf wider: »Nascentes morimur – mit unserer Geburt beginnt unser Sterben.«
    Er rannte auf die schneebedeckte Brücke. Hinter ihm waren drei Männer, fünfhundert Meter vor ihm sechs Polizeiwagen. Er war eingekeilt. Trotzdem rannte er weiter und baute den Vorsprung vor seinen Verfolgern aus. Doch weil die Brücke leer war und wegen der späten Stunde nicht das Risiko bestand, Unschuldige in Gefahr zu bringen, konnte es sein, dass hier gleich Gewalt angewendet wurde.
    Es schneite noch heftiger. Die Flocken wurden vom Wind über dem Wasser hochgepeitscht, sodass der Sturm jetzt Blizzard-Ausmaße erreichte. Nicht mehr lange, und der Fluss würde zufrieren, doch hatte das Wetter der letzten Tage dafür gesorgt, dass das Wasser immer noch strömte und nur hier und da mit Eisschollen durchsetzt war. Dennoch hatte der Fluss eine tödliche Temperatur von einem halben Grad Celsius.
    Die Brücke wurde erleuchtet von blinkendem Rot und Blau. Michael hielt sich in der Mitte der Fahrbahn; seine Fußspuren hatte der Schneesturm bereits verweht. Die drei Wachmänner hinter ihm wurden langsamer, denn ihre Kollegen hatten jetzt um ihre Fahrzeuge herum Position bezogen. Mit gezogenen Waffen standen sie da. Sämtliche Pistolen und Gewehre waren auf Michael gerichtet. Dennoch rannte er weiter, wurde noch schneller beim Anblick der Waffen, die auf ihn gerichtet waren – zur Verwirrung derer, die ihm auflauerten.
    Und dann, ohne jede Vorwarnung, stürmte Michael nach links, sprang über das Geländer in die eisige Rhone und war im gleichen Augenblick verschwunden.
    Die verdutzten Polizeibeamten erhoben sich hinter ihren Fahrzeugen aus ihren Wartepositionen. Sie ließen ihre Waffen sinken und beobachteten fassungslos den selbstmörderischen Sprung des Mannes in das eisige Wasser. Es dauerte einen Moment, bis sie auf die Brücke rannten und durch die Schneeflocken blinzelten, als wollten sie ihren Augen nicht trauen.
    Zur gleichen Zeit erreichten Michaels Verfolger die Stelle, an der er verschwunden war, und blieben stehen, beugten sich über die Brüstung und suchten mit Blicken den Fluss ab, sahen aber nur vereinzelte Eisschollen, die krachend gegen die Brückenpfeiler schlugen. Unter der Brücke war nichts, wo man sich hätte verstecken können. Aber die drei Wachmänner hatten nicht vor, ein Risiko einzugehen. Heinz kletterte über das Geländer, beugte sich nach unten und blickte unter die etwas höher liegende Brückenfahrbahn. Von Michael fehlte jede Spur. Es war, als würde die Zeit stillstehen. Ein Raunen durchlief die Schar der Polizisten, so verblüfft waren sie über das, was sie gerade miterlebt hatten.
    Plötzlich zeigte einer der Beamten flussabwärts. Da trieb etwas im Wasser – ein Körper, schwarz bekleidet, schaukelte auf der Oberfläche, ungefähr zweihundert Meter entfernt. Die Polizei forderte über Funk ein Boot an. Die drei Wachmänner sahen sich um. Sie sprachen kein Wort. Einer behielt den Körper im Auge, während die anderen weiterhin den Fluss absuchten.
    Als Michael auf der Wasseroberfläche aufschlug, fühlte es sich an, als würde er in flüssige Lava stürzen. Sein Gesicht und die Hände schrien auf, als die eisige Kälte durch die Haut stach. Es war eine Gnade, dass sein Körper unter dem dunklen Overall in einem Taucheranzug steckte – dem Anzug, der ihn während seines Raubzugs warm gehalten hatte und der ihn jetzt am Leben erhielt. Michael kämpfte gegen die Strömung. Er befestigte seinen Gürtel an der großen Tasche aus Draht, die am Brückenpfahl verankert war, griff durch das Netz und holte einen Atemregler heraus. Gierig saugte er den Sauerstoff in seine schmerzende Lunge. Die Strömung war stark genug, um die Luftblasen, die er beim Ausatmen verursachte, flussabwärts zu treiben, wo sie unbemerkt zur Oberfläche
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