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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Autoren: Richard Doetsch
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schneien auf, und der Vorhang aus Wolken teilte sich, um einen Streifen blauen Himmelsfreizugeben. Der Bärtige blickte hinunter ins Tal, das von den letzten Strahlen der Abendsonne in goldenes Licht getaucht wurde. Der Blick reichte bis zum Horizont, und die Welt schien friedlich und rein, eine unverfälschte Wildnis. Abgesehen von der kleinen Hütte in einiger Entfernung gab es kein Zeichen von Zivilisation, so weit der Blick reichte.
    Dann wurde der Wind wieder stärker, und der Vorhang aus Wolken schloss sich. Dunkelheit legte sich über das Land, und der Schneefall setzte wieder ein, heftiger als zuvor.
    Der Mann packte seine Sachen zusammen und blickte auf seine Armbanduhr. Dann zog er ein kleines Gerät aus seinem Rucksack und hielt es ungeschickt in den Händen, die in dicken Handschuhen steckten. Er drehte so lange an dem kleinen Timer, bis die roten Leuchtziffern 20:00 anzeigten, und drückte auf einen Knopf an dem Gerät. Sekunden später glühte es im Felsgestein in Abständen von jeweils zwanzig Metern rot auf, als die sieben Sprengsätze nacheinander explodierten.
    Der Mann warf einen letzten Blick auf die Hütte; dann machte er sich auf den Rückweg über den Berggrat.
    Genevieve hatte Angst. Es war nicht die Furcht, gefasst zu werden oder gar die Angst vor dem Tod, sondern die Furcht, der Mann könne den Gegenstand finden, nach dem er suchte und von dem er glaubte, er stehe ihm zu. Diesen Gegenstand konnte man mit Geld nicht bezahlen, und der Mann würde vor nichts zurückschrecken, um ihn an sich zu bringen.
    Doch gerade dieser Mann durfte den Gegenstand und das damit verbundene uralte Wissen nicht besitzen – ein Geheimnis, das sehr lange vor der Welt verborgen gewesen war. Aber Genevieve kannte den Mann. Sie wusste von den Gräueltaten, die er begangen hatte, und von der Gewalt, die er an den Menschen verübt hatte, die ihm am nächsten standen, um seinen unstillbaren Ehrgeiz und seine Gier zu befriedigen.
    Genevieve hatte keinen anderen Ausweg gesehen, als ihren Freund um Hilfe zu bitten. Im Grunde hatte sie ihn sogar gebeten, das Unmögliche zu tun. Es verstieß gegen ihre moralischen Grundsätze, doch sie wusste, dass manchmal Böses getan werden musste, um noch Böseres zu verhindern.
    Sie hatte nichts, womit sie ihren Freund hätte bezahlen können, nichts von Wert jedenfalls. Alles, was sie noch besaß, waren Worte.
    Hoffentlich genügte das. Sie brauchte seine Hilfe dringend. Denn es gab Geheimnisse, die niemals offenbart werden durften, sondern auf ewig bewahrt werden mussten.
    Der eisige Nachtwind heulte, und ein Schneesturm brach los, der die zerklüfteten Berge unter einer frischen weißen Decke begrub. Tiefe Stille trat ein, als der weiche Pulverschnee die wenigen Geräusche schluckte, die von den Bergen widerhallten.
    Und dann, ohne jede Vorwarnung, zerriss Donner die Stille der Nacht, als in den kargen Felsen der Belluneser Dolomiten mehrere Explosionen krachten. Fels, Eis und Schnee stürzten in die Tiefe. Das Rumoren wetterte zwischen den Bergen wider und wurde mit jeder Sekunde lauter. Es klang wie ein heranrasender Zug.
    Als die Woge aus Schnee und Eis den Berg hinuntertoste, wobei sie alles mit sich riss, was ihren Weg kreuzte, erwies es sich als Glücksfall, dass dieser Teil der Gebirgslandschaft nie erschlossen worden war. Es gab keine Dörfer im Auslauf der Lawine, keine Skiläufer, die sich in Sicherheit bringen mussten. Es gab nur eine schlichte, hundertfünfzig Jahre alte Holzhütte.
    Und die würde niemand vermissen.

1.
    S o schnell er konnte, rannte Michael St. Pierre die Rue de Mont Blanc in Genf hinauf.
    Es war zwei Uhr morgens an einem Donnerstag. Der Schnee des Spätwinters kam unerwartet von den Höhen der Berge und bedeckte die ohnehin rutschigen Straßen der Stadt mit einer frischen Schneedecke. Die Gebäude, die aussahen wie aus einem Märchenbuch, deren leuchtende Farben jetzt aber von der Dunkelheit verschluckt wurden, zogen an Michael vorüber, während er rannte, so schnell er konnte. Erst vor einer Minute hatte er seine behagliche Unterkunft verlassen, und schon hatte er von der Kälte kein Gefühl mehr im Gesicht. Seine blauen Augen tränten, jede Schneeflocke stach wie eine Nadel, und der frostige Nachtwind zerrte in seinem braunen Haar.
    Die schwere schwarze Tasche, die er auf dem Rücken trug, drohte ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, als er in die schwach beleuchteten Straßen der Stadt einbog und Abkürzungen durch leere Gassen nahm, um in die
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