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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler
Autoren: Tanja Kinkel
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glaube …« An seiner Schläfe pochte hämmernd eine Ader. Ludwig fuhr mit der Zunge über die Lippen und begann von neuem: »Weil ich glaube, daß sich hier in Wandlingen ein Hexenweib befindet. Ich habe sie selbst gesehen.«
    »Setzt Euch doch«, sagte der Inquisitor teilnehmend, »und erzählt mir mehr davon. Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht gehofft, in Eurem Kloster solche Mitarbeit zu finden. Einige Klöster und Pfarreien gelten als verantwortungslos dem Hexenwesen gegenüber, und deswegen haben Bruder Jakob und ich beschlossen, gleichsam als Missionare durch das Reich zu ziehen, da uns der Heilige Vater dazu die Befugnis verliehen hat. Also, was ist nun mit Eurer Hexe? Warum haltet Ihr sie für eine solche, und wie heißt sie?«
    »Ihr Name«, erwiderte Bruder Ludwig stockend, »ist Zobeida Artzt. Sie ist von Geburt Sarazenin, doch gibt sie vor, nunmehr an unseren Herrn Jesus zu glauben.«
    »Hinter bekehrten Heiden verbergen sich oft die Schliche des Teufels«, stimmte der Dominikaner beifällig zu.
    Ludwig versuchte, möglichst gelassen fortzufahren, doch es brach aus ihm heraus: »Sie hat mich behext, Frater. Sie hat in meinem Herzen die Begierde nach ihr geweckt, und ich war fast bereit, mein Gelübde zu brechen.« Er barg sein Gesicht in den Händen.
    »Nun«, hörte er Bruder Heinrich sagen, »wie Ihr wißt, sind die Weiber von Natur aus schlecht. Woher kommt Euch der Gedanke, daß es sich um einen teuflischen und keinen menschlichen Verführungsversuch handelt? Hat sie in Eurer Gegenwart etwas getan, das nach Zauberei aussah?« Ludwig zögerte.
    »Als ich sie zum ersten Mal sah, mischte sie mir einen Trank, der …«
    »Das ist eindeutig«, unterbrach ihn der Inquisitor erfreut, »Hexen verwenden immer Zaubertränke. Doch fahrt fort, Bruder.«
    In Ludwigs Augen fügte sich nun alles zu einer Kette, und er fühlte selbst fast die Freude des Entdeckers.
    »Sie kannte auch meinen Namen, obwohl ich ihn nicht genannt hatte. Ich sah sie nie beten oder das Kreuz schlagen, wie eine gottesfürchtige Christin es tun sollte.«
    »Ist sie verheiratet?« fragte der Inquisitor.
    »Verwitwet. Sie betätigt sich als Hebamme, und man ruft sie, wenn Pflege …«
    »Mann«, fiel ihm der Dominikaner ins Wort, »wißt Ihr nicht, was Ihr da sagt? Unter den Hebammen sind die Hexen am häufigsten, denn sie kommen immer wieder mit den unreinen Säften in Berührung, die beim Weib die Dämonen anziehen. Niemand gefährdet den Glauben mehr als die Hebammen. Sie opfern kleine Kinder, sorgen für Fehlgeburten … deo gratias , Euer Fall scheint unzweifelhaft zu sein.«
    Er dachte eine Weile nach. »Es gibt drei Möglichkeiten, einen Hexenprozeß zu beginnen. In diesem Fall ist ein Denunziantenprozeß wohl am angebrachtesten. Ihr müßt mit mir zu dem Richter dieser Stadt gehen und einen Notar und zwei als ehrenwert geltende Personen mitbringen. Vor diesen wiederholt Ihr dann Eure Anzeige, schwört auf die vier Evangelien und betont, daß Ihr nicht als Ankläger, sondern als Denunziant handelt.«
    »Wo ist da der Unterschied?« fragte Ludwig verwirrt.
    »Oh, diese armen Unwissenden«, seufzte Heinrich Institoris. »Gerade wegen solcher braver Mönche wie Euch, Bruder, haben Bruder Jakob und ich beschlossen, über unsere Erfahrungen ein Buch zu verfassen. Nun, wäret Ihr ein Ankläger, so müßtet Ihr dem Gesetz nach Eure Klage mit Indizien oder dergleichen beweisen. Als Denunziant jedoch braucht Ihr das nicht, sondern müßt lediglich erklären, Ihr handeltet aus Gottesfurcht.«
    »Ah«, entgegnete Bruder Ludwig nicht eben lebhaft.
    Doch der Dominikaner war in seinem Element und belehrte ihn: »Ihr schwört dann, alles geheimzuhalten, was sich wohl von selbst versteht. Doch muß noch eine zweite Denunziation eingehen, die einen anderen Gegenstand als den Euren betrifft, bevor der Richter oder ich handeln können. Glaubt Ihr, es findet sich jemand, der ebenfalls willig ist, gegen diese Person auszusagen?«
    »Doch«, entgegnete Ludwig gehorsam, »doch, ja, das glaube ich.«
    »Gut«, sagte der Inquisitor befriedigt. »Dann werden wir weitersehen.«

3
    R AINER W ASSERMANN , seines Zeichens Richter der Stadt Wandlingen, machte nicht nur auf den äußerst angespannten und nervösen Bruder Ludwig einen unmutigen und unwilligen Eindruck. Wassermann war bald sechzig, und er hatte in seinem Leben noch keinen Hexenprozeß geführt. Eigentlich hatte er gehofft, seine Amtszeit in Ruhe beschließen zu können. Hexenprozesse waren
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