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Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)

Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Kristian Schlüter
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Stattdessen lehnte er sich etwas zurück und schloss die Augen, atmete tief ein, langsam wieder aus und strich sanft mit seinem Daumen über die Dauerkarte in seiner Jackentasche. Er spürte die Zacken, die bei jedem Spiel in die Plastikkarte geknipst wurden. Erst dann öffnete er wieder die Augen.
    Das war sein Ritual. Das Spiel konnte beginnen.
    Die Hells Bells von AC/DC ertönten, und die Mannschaften liefen ins Stadion.
    Die erste Halbzeit war spannend, und es gab einige gute Chancen für St.Pauli. Schönlieb zuckte jedes Mal zusammen, wenn der Ball sich dem gegnerischen Tor gefährlich näherte. Einmal war er schon aufgesprungen, doch der Ball wollte einfach nicht ins Tor, und so stand es nach fünfundvierzig Minuten noch immer null zu null.
    In der Halbzeitpause beschloss er, sich einen Glühwein und eine Bratwurst zu holen. Vielleicht würde er sich so wenigstens für ein paar Minuten etwas aufwärmen. Am Bratwurststand war eine Schlange. Die meisten, die hier warteten, waren zu zweit oder zu dritt und diskutierten über das Spiel. Manchmal fragte er sich, ob es komisch war, dass er allein zu den Spielen ging. Anderseits hätte er auch nicht gewusst, wen er mitnehmen sollte. Vielleicht Mitch, seinen Nachbarn und so etwas wie sein einziger Freund. Der besaß zwar einen St.-Pauli-Pullover, hatte im Grunde allerdings nichts für Fußball übrig. Vielleicht einen seiner Kollegen? Bisher hatte er mit keinem von ihnen etwas privat unternommen. Dabei war er jetzt schon seit einiger Zeit dabei. Schönlieb war vor zwei Jahren direkt von der Polizeihochschule zur Mordkommission gekommen, mit gerade mal vierundzwanzig Jahren. Das war mehr als ungewöhnlich und so noch nie vorgekommen in der Geschichte der Polizei Hamburg. Auslöser dafür war zum einen der große Abschlussjahrgang des Jahres 2009 gewesen und zum anderen Schönliebs gute Noten. Sie waren so viele Absolventen gewesen, dass nicht alle, wie es die sogenannten Erstverwendungsrichtlinien eigentlich forderten, an ein örtliches Kommissariat vermittelt wurden. Dort sollte man sich für gewöhnlich ein, zwei Jahre die Hörner abstoßen und das Grundhandwerk erlernen, wie es so schön hieß – mit der alltäglichen Kriminalität wie Körperverletzungen, Sachbeschädigungen oder Diebstählen. Danach kam dann meistens der Kriminaldauerdienst, zuständig für jeden Tatort, bei dem gerade kein passendes Team im Haus war. Das hieß dann vor allem, den Tatort abzusperren und keine eigenen Spuren zu hinterlassen. Erst danach konnte man für gewöhnlich auf eine Stelle in einem der Fachbereiche hoffen. Schönlieb hatte sich, bevor ihm die Stelle in der Mordkommission angeboten wurde, noch keine Gedanken darüber gemacht, in welche Fachrichtung es bei ihm gehen sollte. Die Chance, bei einer der sechs Mordbereitschaften, wie die einzelnen Teams des Fachbereich für Tötungsdelikte im LKA Hamburg hießen, zu arbeiten, traf ihn ziemlich unvorbereitet. Schließlich hatte er erwartet, wie alle anderen zuerst in einem Kommissariat zu landen, doch er war einfach durchgerutscht. Er hatte die besten Noten seines Jahrgangs an der Hochschule und das Glück, dass gerade eine Stelle in der Bereitschaft frei wurde. Hilfreich war natürlich auch gewesen, dass Schönlieb in Professor Lümmler, der gute Beziehungen zum Leiter des Fachkommissariats Tötungsdelikte beim LKA pflegte, einen wichtigen Fürsprecher hatte. Er war direkt ins kalte Wasser geworfen worden und von der Hochschule in der Mordbereitschaft 415 des LKA Hamburg gelandet. Ein glücklicher Zufall, wie Schönlieb fand, eine unerhörte Frechheit, wie die meisten seiner Mitabsolventen und vor allem sein jetziger Kollege Harald Wallner sagen würden. Wallner hatte von Anfang an Stimmung gegen ihn gemacht. Zum Glück ließen sich die anderen meistens nicht darauf ein. Richtig warm war er jedoch bisher mit keinem von ihnen geworden. Zusammen mit einem von ihnen zum Fußball? Nein, das kam nicht infrage. Hier ließ er das alles hinter sich.
    Schönlieb kaufte sich eine Bratwurst und einen Glühwein, bezahlte und ging zurück zu seinem Sitzplatz.
    Als das Spiel wieder angepfiffen wurde, hatte sich Schönlieb gerade hingesetzt und das erste Mal in die Wurst gebissen. Etwas Senf tropfte herunter, aber er konnte sein Knie gerade noch rechtzeitig wegziehen, und so landete der Senftropfen nur auf dem alten Holzboden. Als er erneut genüsslich in seine Krakauer beißen wollte, klingelte sein iPhone, das hieß: Es vibrierte. Ohne das
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