Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung
Autoren: Krystyna Kuhn
Vom Netzwerk:
dem riesigen Bildschirm hinter ihm erschien in Großbuchstaben ein lateinischer Fachbegriff: »Ektotrophe Mycorrhiza.«
    Ektotrophe Mycorrhiza.
    Das Klappern von Tasten verriet Katie, dass einige der Studenten soeben dabei waren, ihr Gehirn mit Wikipedia zu verlinken. Laut ihrem Philosophie-Professor Brandon die Internetplattform für Fastfood-Wissen beziehungsweise Computerfraß, wie Benjamin es nannte. Im Erfinden von neuen Worten war er sehr begabt.
    »Wer kann zu diesem Thema etwas sagen?«
    Rose Gardner, die sich mit Katie und Julia ein Apartment teilte, hob die Hand. Sie stach nicht nur wegen ihrer Schönheit aus der Horde Studentinnen heraus, sondern vor allem wegen ihrer Glatze. Die schöne Rose belagerte alle vierzehn Tage das gemeinsame Badezimmer, aus dem zunächst das Surren der Haarschneidemaschine zu hören war. Dann Stille. Eine beängstigende Stille, wenn Katie sich vorstellte, wie Rose nun auf ihrem Kopf den Haarschaum auftrug, um ihn anschließend zu rasieren. Es gab Dutzende von Spekulationen, warum sie das tat, aber Katie kümmerte sich nicht weiter darum.
    »Einige Baumarten ernähren sich im Boden nicht selbstständig, sondern stehen in ihrem Wurzelsystem mit einem Pilzmyzelium in Symbiose, das die Ernährung des Baumes aus dem Boden übernimmt.«
    »Sehr gut, Miss Gardner.« Bauer nickte. Es gab keinen Dozenten, der Rose nicht zu einer seiner Lieblingsstudenten erklärt hätte. Sie besaß ein dickes Konto von Extrapunkten, um das sie die meisten Studenten hier am Grace beneideten.
    »Ektomykorrhiza findet man bei einer Reihe von Baum- und Straucharten, vornehmlich aus den Familien Pinaceae, Cupressaceae, Myrtaceae und Caesalpiniaceae«, fuhr der Dozent fort. »Wo kommt die Mehrzahl dieser Bäume vor?«
    Niemand meldete sich. Bauer trat vom Pult zurück und begann, im Vorlesungssaal auf und ab zu gehen.
    Wieder war das Klappern der Tastauren zu vernehmen. Die Vorlesungsräume des Grace College waren mit WLAN ausgestattet. Ein Großteil der Professoren hatte dagegen protestiert, mit – wie sie verkündeten – www.web-sex.tv in Konkurrenz zu treten.
    »Niemand?«, fragte Jay Bauer abermals. Er hielt inne und wartete auf eine Antwort, die jedoch ausblieb. »Gut. Vielleicht hören Sie jetzt bitte alle auf zu schreiben.«
    Die Studenten hoben die Köpfe. Einigen von ihnen war anzusehen, dass ihre Gedanken gerade den Cyberspace verließen, um wieder in die Erdatmosphäre einzutauchen. Doch ihre Finger schwebten weiter über den Tasten wie Riesenspinnen, bereit, sich in der nächsten Sekunde auf jede mentale Beute zu stürzen.
    »Muss ich jeden von Ihnen einzeln aufrufen? Wir sind doch hier nicht mehr an der Highschool. Sie sollten dieses Thema bis heute vorbereiten und es gehört zum Prüfungsstoff.« Gereizt wandte er sich an den nächstbesten Studenten. Es war ausgerechnet Chris, der – wie Katie sah, gerade seine E-Mails checkte.
    »Also Mr …« Bauer räusperte sich. »Bishop, was haben Sie zu dem Thema zu sagen?«
    Chris hob nur kurz den Kopf. »Könnten Sie die Frage wiederholen?«
    »Haben Sie sich überhaupt den entsprechenden Artikel im Buch durchgelesen?« Der Dozent schien sich nur mühsam beherrschen zu können.
    Chris hob beide Hände. »Sorry, aber ich musste für Professor Brandon in einem Artikel die Zitate checken. Das Paper soll noch morgen in Druck gehen.«
    Katie kapierte nicht, weshalb Chris ausgerechnet für Brandon arbeitete. Sie misstraute dem Philosophieprofessor, seit sich herausgestellt hatte, dass er bereits in den Siebzigern hier oben im Tal gewesen war. Er war nachweislich mit den Studenten befreundet gewesen, die als verschollen galten. Zudem hatten Chris und Benjamin bei ihm Filmrollen entdeckt, die die Studenten beim Aufbruch aus dem Tal zeigten. Die Affäre vom Remembrance Day hatte tagelang für Aufregung im College gesorgt, aber nun sprach niemand mehr davon. Dennoch wurde Katie das Gefühl nicht los, dass Brandon sie alle ständig beobachtete.
    Julia behauptete natürlich, Chris versuche auf diesem Weg, an Informationen über die damalige Katastrophe heranzukommen. »Er tut es nicht wegen des Geldes«, hatte sie mehr als einmal erklärt.
    »Ach ja? Warum dann? Aus Liebe?« Katie hatte die Augenbrauen hochgezogen. »Komm schon, wir wissen doch alle – Chris ist auf ein Stipendium angewiesen und verdient sein Geld nicht immer legal.«
    Julia hatte ihr daraufhin vorgeworfen, dass sie nichts verstünde, und war beleidigt abgezogen.
    Katie wandte ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher