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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein
Autoren: Brigitte Riebe
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Jahre, wo der Winter nach solch einer kurzen Warmperiode noch einmal mit aller Macht zurückkommt und das Erdreich erneut gefrieren lässt. Daher müssen die abgeschnittenen Triebe so schnell wie möglich klein gehackt und in den Boden eingearbeitet werden, um den Humus anzureichern …« Er hielt inne, starrte auf seine Schuhe.
    »Was du sagst, hat Hand und Fuß. Wer oder was könnte dich also davon abhalten?«, schaltete Hedwig sich ein.
    »Der Mangel, ehrwürdige Schwester, einzig und allein der Mangel! Denn leider fehlen mir die dazu notwendigen Männer.« Seine Schultern sanken nach unten. »Bischof Heinrichs Kämmerer hat die Bauern ganz kurzfristig zu Arbeiten in den bischöflichen Weinbergen abgezogen. Und das kann dauern. Ihr wisst selbst, wie viele Tagwerk er zu bewirtschaften hat.«
    Hildegards Gesicht war unbewegt geblieben. »Erst dann sind sie wirklich Mönche, wenn sie von der Arbeit ihrer
Hände leben. Dieser Satz stammt vom heiligen Benedikt, dem Gründer unseres Ordens. Und gilt nicht für uns Schwestern das Gleiche, was er den Brüdern abverlangt?« Ein feines Lächeln. »Wir werden dir tatkräftige Hände schicken. Kämst du denn mit acht Schwestern ein Stück weiter?«
    Josch schien nach den richtigen Worten zu kramen.
    »Die Zeit zwischen den Horen ist nicht gerade üppig«, entgegnete er schließlich. »Im Kloster mag das keine so erhebliche Rolle spielen. Dort können die Schwestern ihre Arbeit genau da wieder aufnehmen, wo sie sie zuvor unterbrochen haben. Wenn wir aber im Wingert halbwegs rasch vorankommen wollen …«
    »… könnte man die Psalmen ausnahmsweise unter freiem Himmel singen«, vollendete Hildegard seinen Satz. »Dann wäre ein Arbeitstag im Freien ein paar ordentliche Stunden lang. Ist dir damit geholfen, Josch?«
    »Wahrhaft ein guter Anfang, domina .« Seine Züge hatten sich entspannt. »Soll ich sie dann gleich morgen früh vor der Pforte mit dem Pferdewagen abholen kommen - oder wollt Ihr Euch erst mit Bruder Volmar besprechen?«
    »Volmar ist erst gestern in meinem Auftrag zum Disibodenberg geritten«, sagte sie knapp. »Ich denke, die Schwestern haben alle gesunde Beine und können laufen. Sei übermorgen an Ort und Stelle. Dann kann die Arbeit beginnen - vorausgesetzt natürlich, deine überaus optimistische Wetterprognose erweist sich wieder einmal als richtig.« Für sie schien das Gespräch beendet.
    »Ich denke, Joschs Idee mit dem Pferdewagen ist gut, hochwürdige Mutter.« Auf Hedwigs hellen Wangen brannten rote Flecken, ihre Stimme aber war fest. »Dann kommen unsere Schwestern ausgeruht am Weinberg an und können abends schon ein wenig rasten, bevor sie mit uns zusammen die Vesper singen.«

    Hildegard warf ihr einen unergründlichen Blick zu und erhob sich. Der Mann war ebenfalls aufgesprungen.
    »Ich werde Euch auf dem Laufenden halten, Herrin«, sagte er und verbeugte sich tief. »Ihr könnt Euch auf mich verlassen - in allem.«
    »Gott segne dich, Josch, und auch deine Frau!«, erwiderte sie. »Ich habe von Benigna gehört, ihr erwartet wieder ein Kind?«
    Er begann zu strahlen. »Ja, bald, ganz bald. Und wie froh wir beide darüber sind, wo das Letztgeborene doch nicht einmal ein Jahr alt geworden ist. Eva behauptet zwar, sie sei inzwischen zu alt zum Gebären, aber das hab ich ihr zum Glück wieder ausreden können. Eine Wehmutter muss schließlich mehr von diesem Geschäft verstehen als alle anderen zusammen, oder etwa nicht?«
    Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, wandte sich Hedwig mit bittender Geste an die Magistra: »Verzeih meine Einmischung, Mutter! Aber ich dachte, es sei vielleicht besser, den verbliebenen Schwestern nicht allzu viel abzufordern. Einige murren noch immer über die ungewohnten Zumutungen unseres Umzugs vom Disibodenberg, die sich mit ihrem adeligen Stand nicht vertrügen. Sollten uns noch mehr von ihnen verlassen, so könnte es schwierig werden, unser neues Kloster zu halten.«
    Hildegards Gesicht hatte sich verschlossen.
    »Wer sein Leben Christus weiht, muss wissen, worauf er sich einlässt. Ehrliche Feldarbeit hat noch niemandem geschadet, schon gar nicht einer Dienerin Gottes. Übermorgen kann Josch mit dem Karren kommen, die folgenden Tage werden sie sehr wohl zu Fuß zum Weinberg gehen.« Jetzt spielte ein winziges Lächeln um ihre Lippen. »Abends mag er sie dann von mir aus mit dem Gefährt zurück ins Kloster bringen. Ich möchte nicht riskieren, dass sie mir
in der Vesper aus Erschöpfung einschlafen und
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