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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition)
Autoren: H. J. Anderegg
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ohne die kein Mensch in die Grube stieg, wenn er nicht von allen guten Geistern verlassen war. Den schützenden Overall ließ er hängen. Drei Hemden waren schon futsch, da kam es auf ein viertes auch nicht mehr an. Er setzte den Helm mit der Lampe auf, schnallte sich den Gurt um den Bauch, an dem die schwere Batterie hing und steckte das Kabel ein.
    »Ich fahre jetzt«, brummte er und ging zum Förderkorb, dem massiven Stahlkäfig, der ihn schon tausend Mal den neunzig Meter tiefen, senkrechten Schacht hinunter getragen hatte. Ein scharfer Ruf in seinem Rücken stoppte ihn auf der Stelle:
    »Halt, so geht das nicht!« Er drehte sich verwundert um. Der Smarte grinste ihm verächtlich ins Gesicht, während der Bulle und die falsche Lady mit versteinerten Mienen daneben standen. »Ich komme mit. Wir wollen doch nicht, dass Sie sich da unten verlaufen.« Sein Ton duldete keine Widerrede, also trottete Ed zum Schrank zurück und hielt ihm einen zweiten Satz Ausrüstungsgegenstände entgegen. Der Andere zögerte.
    »Anziehen! Ohne diese Lampe geht nichts«, schnauzte er ihn an und wunderte sich sogleich über seine Kühnheit. Aber Leute, die nicht den nötigen Respekt vor dem Berg zeigten, konnte er am allerwenigsten ausstehen.
    Sie stiegen in den Korb. Er steckte den Schlüssel ein, der ihm als Ehemaliger und Ehren-Guide jederzeit Zugang verschaffte und legte den Schalter um. Rumpelnd begann sich das mächtige Rad über ihnen zu drehen. Der Käfig setzte sich in Bewegung und glitt sanft und schnell in die Tiefe. Ed war in seinem Element. Je weiter sie in den Berg hineinfuhren, desto geringer wurde seine Angst und desto größer der Ärger über die Gauner, die ihn so schamlos überfallen und misshandelt hatten, aber auch die Wut über seine eigene Dummheit, die ihn erst in diese Lage gebracht hatte. Wie konnte er nur Laurens Warnung missachten. Er war ein seniler alter Trottel, unfähig ein kleines Paket zu bewachen, und er hatte noch immer keine verdammte Idee, wie er seinen Hals aus dieser Schlinge ziehen könnte. Die Kammer am Ende des Schachts führte in einen engen Stollen, der mit einem leichten Anstieg in den Berg hinein führte. Er achtete nicht auf den Fremden hinter ihm, unterdrückte die üblichen Warnungen, mit denen er jeweils seine Führungen begann. Sollte der Ganove sich ruhig den Schädel einschlagen an den Felsvorsprüngen der niedrigen Decke. Flink und beinahe geräuschlos, wie es ihm keiner zugetraut hätte, huschte er durch den finsteren Gang, ohne sich umzusehen. Insgeheim hoffte er, der Kerl hinter ihm würde sich verirren, oder seine Lampe würde erlöschen und der Gottseibeiuns nähme ihn auf die Hörner. Wenn hier unten kein Licht brannte, herrschte absolute Finsternis, schwarz, wie es schwärzer nicht werden konnte. Dann sah man tatsächlich die Hand nicht mehr vor den Augen, selbst wenn man sie unmittelbar vor die Nase hielt. Aber der Mann ließ sich nicht abschütteln. Mühelos blieb er stets ein, zwei Fuß hinter ihm.
    Ed folgte eine Weile dem Hauptstollen, den auch die Touristengruppen benutzten, wenn sie sich hier ihre Gänsehaut holten. Unmittelbar nach der Höhle, die früher den Grubenpferden als Stall diente, zwängte er sich in einen Seitenstollen, den normalerweise niemand betrat. Zwanzig Schritte, und sie erreichten die Stelle, die er als sicheres Versteck ausgesucht hatte. Er langte in den schmalen Felsspalt und spürte die Plastikfolie, mit der er Laurens Paket eingewickelt hatte.
    »Hier ist es«, krächzte er heiser. Vorsichtig zog er das Bündel heraus und hielt es nachdenklich in den Händen. Verräter, Versager! Schwerste Vorwürfe schossen ihm durch den Kopf. Lauren hat sich auf dich verlassen, sie hat dir vertraut . Er würde ihr nie wieder in die Augen sehen können. Er fühlte sich plötzlich so elend, dass er wünschte, diesen Tag nicht zu überleben. Wortlos nahm ihm der Smarte das Paket aus der Hand. Er setzte sich auf den Boden, entfernte die Folie und begann, den Inhalt des dicken Umschlags in aller Ruhe im Schein seiner Grubenlampe zu studieren. Die Papiere, die er gelesen hatte, legte er säuberlich auf einen Stapel neben sich. Seltsam, die fast andächtige Stille, in der dies geschah, besänftigte auch Eds Zorn. Er begann, wieder klarer zu denken, während er zusah, wie der Fremde ein Blatt nach dem anderen auf die Seite legte.
    Zum ersten Mal seit sie eingefahren waren, warf er einen Blick auf den Methan-Monitor an seinem Gurt, und das Herz drohte ihm stehen zu
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