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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries
Autoren: Maryrose Wood
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habe.
    Jetzt, endlich, bin ich bereit zu töten.
    Kurz darauf nähert sich ein Mann in einem dunklen langen Mantel und einem merkwürdigen Hut. Als er die Kreuzung erreicht, bleibt er stehen und spricht mich an: »Bereuen Sie, mein Freund«, sagt er warnend. »Der Himmel ist voller Vorzeichen, und die Sünde treibt ihr Unwesen auf dieser Welt.«
    Die Sonne verschwindet, ausgelöscht durch die dunklen Schwingen eines Raben, der über uns seine Kreise zieht.
    »Bereuen Sie«, sagt der Prediger wieder und wirft einen nervösen Blick nach oben. »Bereuen Sie, denn das Ende ist nah.«
    »Näher, als Sie glauben«, erwidere ich. Ich ringe ihn zu Boden und zerre ihn hinter eine Hecke, wo wir von der Straße aus nicht gesehen werden können.
    »Rauben Sie mich nicht aus, guter Herr! Ich habe nichts – bereuen Sie! Bereuen Sie!« Sein unentwegtes Geplapper macht es mir leicht, ihm das Gift zwischen die Lippen zu träufeln. Er würgt, dann schluckt er und schaut mich ungläubig und erschrocken an. Dann setzen die Krämpfe ein.
    Ich schließe meine Augen und drücke ihn zu Boden, während das Leben zuckend und zappelnd aus seinem Körper weicht. Ich halte ihn fest, und es dauert nicht lang, bis das Fleisch unter meinen Händen weich wird, nachgiebig und elastisch wie Wolle.
    Ich merke, wie mir die bittere Galle in der Kehle emporsteigt. So, wie mir früher der Gedanke daran, eine Karotte zu essen, Übelkeit verursacht hat, so empfinde ich nun abgrundtiefen Abscheu gegen mich selbst, weil ich ein menschliches Leben ausgelöscht habe. Ich denke an Jessamine – wie froh sie über meine Gefühle wäre und wie sehr sie mich hassen würde, wenn sie wüsste, was ich getan habe.
    Vergib mir, meine Liebste, ich tue es für dich …
    Ich schaue nach unten. Da ist gar kein Priester. Es ist ein junges Schaf, das ich mit meinen mörderischen Händen umklammert halte, plump und mit dickem Fell.
    Habe ich den Verstand verloren? Ich schließe meine Augen und schaue dann noch einmal hin. Es ist der Priester, mit hervorquellenden Augen, wortlos um Gnade flehend.
    »Was töte ich da?«, schreie ich verzweifelt.
    Spielt es eine Rolle?
Die Antwort ist sanft, verlockend, und die Stimme spricht mit einer Vernunft, die über jeden Zweifel erhaben ist.
Tod ist Tod. Wenn dein Opfer am Leben bleibt, wird Jessamine sterben. Wenn es stirbt, wird sie leben. Da alles Leben gleichermaßen wertvoll ist, macht es doch keinen Unterschied, welches Leben du rettest, oder?
    KRAAAAAAAAAAAAAH !
    Ein rauer, grausamer Schrei durchschneidet die Luft – bin ich es, der ihn ausgestoßen hat? Oder der Rabe?
    Ich lasse mein Opfer los und stehe auf. Die Krämpfe haben aufgehört, aber der Priester ist noch nicht tot. Er keucht und zuckt heftig, wie ein Fisch auf dem Trockenen, während sich die Lähmung in seinem Körper ausbreitet und er mich mit vor Angst weit aufgerissenen Augen anstarrt.
    Ich muss es zu Ende bringen. Ich habe keine Waffe, außer meinen Händen. Ich könnte einen Ast von einem Baum brechen und ihn als Keule benutzen oder mir einen spitzen Stock suchen, aber ich will nicht, dass ein anderes lebendes Ding Anteil an dieser Untat hat. Ich hole mir einen schweren Stein mit scharfen Kanten. Ich gebe mir nicht einmal Mühe, ihn zu verstecken, denn mein Opfer kann weder entkommen noch sich wehren.
    Ich hebe den Stein über meinen Kopf.
    Das Schaf blickt mich mit seinen vertrauensvollen braunen Augen an. Es blökt sanft und einladend.
    »Nein!«, schreit der Prediger. »Verschone mich, mein Freund … Gott vergebe dir …«
    »Danke für alles, was mir beschert wurde«, keuche ich und lasse den tödlichen Schlag niedersausen.

Kapitel 18
    Wir sind da. Hör gut hin, mein Liebling. Kannst du es hören?
    Kreischen. Stöhnen. Alles, was ich höre, ist der Klang des Leids. Wo sind wir hier? Ist das ein Museum des Todes?
    Kein Museum. Eher ein Laboratorium.
    Gehört es Ihnen?
    Nein. Nur eine Person, die nach Wissen giert – die sich nicht scheut, Wissen um jeden Preis zu erwerben –, würde einen solchen Ort erschaffen.
    Sie meinen, eine Person wie mein Vater?
    Das ist ein interessanter Gedanke. Dein Vater weiß eine Menge über Pflanzen. Das Gleiche gilt für deinen geliebten Giersch, wenn ich es recht bedenke. Also, ich an deiner Stelle würde keinem von beiden trauen. Menschen wie diese würden alles dafür tun, um das Wissen in ihren Besitz zu bringen, nach dem sie verlangen.
    Ich verstehe nicht.
    Schau dich um. Wenn man zum Beispiel herausfinden
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