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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition)
Autoren: Catherine Tarley
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wird wehtun. Aber du hast schon ganz anderes ertragen. Schlafe einfach weiter. Schlafe!«
    Sie überzeugte sich, dass er gleichmäßig atmete. Dann entfernte sie den Verband von seinem Bein, säuberte die schorfige Wunde über dem Bruch und richtete frisches Verbandsmaterial her; auch zwei stabile Holzleisten hatte sie zum Schienen mitgebracht. Als Antonia und Joshua hereinkamen, erklärte sie ihnen in knappen Worten, wie sie vorgehen wollte.
    Antonia starrte auf den Verletzten, auf das gebrochene Bein, die blutenden Wundränder und freiliegenden Knochen und wäre am liebsten hinausgelaufen. Doch sie blieb und hoffte nur, die Prozedur möge schnell vorübergehen.
    Joshua betrachtete den Soldaten schweigend, während seine Miene sich zusehends verdüsterte. Als die Indianerin ihn aufforderte, ans Krankenbett heranzutreten und den Verletzten festzuhalten, fuhr er sie plötzlich feindselig an: »Nein, ich mach das nicht! Soll er doch draufgehen!«
    »Joshua«, sagte Vier Federn ruhig, »wir müssen jetzt anfangen.«
    »Wissen Sie eigentlich, was Sie da von mir verlangen, Ma’m?«
    »Sicher.« Sie ließ Joshua nicht aus den Augen. »Warum, glaubst du, habe ich gerade nach dir geschickt?«
    Schließlich gab er widerwillig nach und nahm seinen Platz ein, befolgte die Anweisungen der Indianerin und hielt den Mann fest. Nun fasste Vier Federn das Bein des Mannes unterhalb der Bruchstelle, drehte, zog und dehnte es vorsichtig, um die Knochenteile voneinander zu lösen. Als sie eine Knochenspitze, die durch die Haut nach außen gedrungen war, zurückdrückte, wand sich der Verletzte trotz der Betäubung vorSchmerz. Joshua hielt ihn ungerührt nieder. Doch der Verletzte wehrte sich immer mehr.
    »Antonia, sprich mit ihm!«, sagte Vier Federn.
    Aber Antonia war zu bestürzt, um tröstende Worte für den Gepeinigten zu finden. Mit zitternder Hand wischte sie ihm den Schweiß von Stirn und Wangen, mehr konnte sie nicht tun. Indessen hielt Joshua ihn unnachgiebig fest, bis Vier Federn die Bruchstelle ausgerichtet, zwischen den Holzschienen fixiert und so verbunden hatte, dass das verletzte Bein vom Fußgelenk bis zur Hüfte ruhiggestellt war. Antonia atmete auf, als der Soldat in ruhigen Dämmerschlaf zurückfiel.
    Joshua rieb sich mit einem Tuch das Blut von den Händen. Ohne den Verletzten noch einmal anzusehen, wandte er sich zum Gehen. »Kommen Sie, Miss Antonia, ich bringe Sie hinaus.«
    Antonia zögerte.
    »Geh nur«, sagte Vier Federn zu ihr. »Ich bleibe hier bei ihm.«
    Als die beiden draußen waren, entnahm Vier Federn ihrem Medizinbeutel einen Kerzenstumpf aus dunklem Wachs, entzündete ihn und steckte ihn in einen Leuchter auf dem Kaminsims. Bald erfüllte den Raum der Geruch von bitterem Balsam. Nun setzte sie sich zu dem Kranken und verteilte auf seinem Lager verschiedene Gegenstände: Um seinen Kopf legte sie vier blaugrüne Federn der Karaa-Krähe, die ihr Totem war und Quelle ihrer spirituellen Kraft. Unter den Verband um seine Brust schob sie einen flachen Stein mit dem eingeritzten Bild einer Schlange, Symbol des Weißen Wassers, das aus dem Ursprung der Welt strömt. Zuletzt band sie dünne Lederschnüre um seine Handgelenke, auf die blaue Perlen gezogen waren, als Talismane gegen missgünstige Geister. Ein Beben durchlief seinen Körper. Sie legte die Hand auf seine Brust, zählte die Herzschläge, seufzte und strich ihm über die feuchte Stirn. Was sie als Heilerin für ihn tun konnte, war getan. Nun flocht siesein dunkles Haar zu zwei Strängen, die sie zärtlich durch ihre rauen Hände gleiten ließ.
    Seit sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte sie gehofft, ihn wiederzusehen, diesen Engländer, dessen Anblick sie an die Krieger ihres Volkes erinnerte, so stolz, so mutig und streitbar. Als Antonia sie letzte Nacht aufgesucht und von einem englischen Soldaten erzählt hatte, der halbtot in ihren Stallungen lag, wusste Vier Federn, dass er zurückgekommen war. Sie kannte seine Geschichte, dies war nicht das Ende. Es konnte ein Anfang sein. »Du hast Fürsprache gefunden, William: Dein Leben für ein anderes!«
    Der Mann warf den Kopf unruhig zur Seite, er atmete schnell und unstet. Die Indianerin erhob sich, breitete die Arme über ihm aus und rief die Geister ihrer untergegangenen Welt.
    Antonia ging mit Joshua zu den Stallungen, um nach dem Pferd des Soldaten zu sehen. Ehe sie sich in der vorigen Nacht aufgemacht hatte, um Vier Federn zu holen, hatte sie das Tier in einem der leeren Stallabteile
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