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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat
Autoren: Christa S. Lotz
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das?«
    »Weil Fledermäuse Unglück bringen. Ich habe das Gefühl, dass etwas Entsetzliches passieren wird.«
    »Das sind Hirngespinste.« Ihr Vater legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »Ich werde Ursula sagen, dass sie dir keine Gespenstergeschichten mehr erzählen soll.«
    »Es war nicht nur Ursula, sondern auch meine Amme Maria.«
    »Vergiss es doch einfach. Wir beide sind hier, um die Chronik unserer Familie fertig zu schreiben, und es wird überhaupt nichts passieren, das verspreche ich dir!«
    Teresa fühlte sich halbwegs getröstet. Sie trat auf eine der Kommoden zu, bückte sich, hob den Leuchter vor die unterste Schublade.
    »Schau mal, da ist ein sehr hübsches Kästchen.« Sie nahm es heraus. Es war ein kleiner Kasten aus Kirschbaumholz, einer Truhe nachgebildet, wenn auch etwas wurmstichig und schwärzlich verfärbt, als hätte er einen Brand überstanden. Teresa erkannte aber deutlich die Schnitzereien und die versilberten Sterne auf dem Deckel.
    »Das ist eine Hinterlassenschaft unserer Vorfahren«, sagte Froben hinter ihrem Rücken. »Das Kästchen ist mit Schmucksteinen gefüllt. Du darfst es ruhig öffnen.«
    Der Wind hinter den Mauern des Raumes begann sich wieder zu erheben. Teresa war es ganz feierlich zumute. Der Stammbaum ihrer Familie reichte bis ins 11. Jahrhundert zurück. Es war ihr eine Ehre, so alte Gegenstände zu berühren. Sie wollte den Leuchter auf die Kommode stellen. In diesem Moment – war es ein Augenblick der Schwäche? – entglitt das Kästchen ihrer Hand und schlug mit einem Klacken auf dem Boden auf.
    »Wie ungeschickt, Teresa«, entfuhr es ihrem Vater. »Hoffentlich ist es nicht beschädigt worden.«
    Sie gingen beide gleichzeitig in die Hocke. Eine Menge glitzernder Perlen lag über den Boden verstreut. Mittendrin bemerkte Teresa noch etwas anderes. Das Kästchen war offensichtlich in zwei Teile zersprungen, und als sie näher hinsah, entdeckte sie eine kleine Pergamentrolle.
    »Na, so etwas«, bemerkte Froben. »Das Ding scheint einen doppeltenBoden gehabt zu haben.« Er nahm das Pergament und richtete sich mühsam auf. Teresa schien es, als wäre dem Kästchen ein Geruch nach Weihrauch entströmt.
    »Komm, gehen wir zurück in die Bibliothek«, meinte ihr Vater.
    Froben schob das Regal wieder an die alte Stelle zurück, ging hinüber zu seinem Schreibpult und breitete das Pergament darauf aus. Teresa setzte sich auf einen Stuhl und hörte mit wachsendem Interesse, was ihr Vater vorlas:
    »Ich, Friedrich von Wildenberg, habe im Jahr 1096 am Kreuzzug zum Heiligen Grab teilgenommen. Gottfried von Bouillon aus Lothringen führte unseren Zug an. Bei der Schlacht um Jerusalem 1099 wurde mein Bruder Albrecht tödlich verwundet, ich selbst entkam schwer verletzt dem Massaker. Aus der Heiligen Stadt brachte ich einen Goldkandelaber in die Heimat mit, den ich dem Kloster Agenbach im Schwarzwald zur Aufbewahrung übergab. Dieser Kandelaber hat einen unermesslichen Wert für denjenigen, der ihn besitzt: Er verleiht ihm Macht über andere, Reichtum, Glück und dauernde Gesundheit. Ich spüre, dass meine Zeit bald um sein wird. Deshalb gebe ich diese Niederschrift meinem Diener Abel, damit er sie nach Wildenberg bringe.
    Agenbach, im Jahre des Herrn 1099, 12. Dezember «

2.
    Froben schaute von dem Pergament auf, blickte Teresa aus seinen Augengläsern an, die seine Pupillen stark vergrößerten, und fragte: »Was hältst du davon?«
    »Das ist ein ganz wichtiges Dokument für unsere Familienchronik. Unser letzter bekannter Vorfahr starb im Jahre 1224. Dieser Friedrich muss zumindest einen Sohn hinterlassen haben, sonst wäre unser Geschlecht ausgestorben.«
    »So sehe ich das auch«, meinte Froben. »Es ist ein sehr wertvolles Dokument. Ich möchte dich bitten, es gleich abzuschreiben, falls es verlorengehen sollte.«
    Er holte eine Feder aus der Schublade des Lesepults, ein Tintenhörnchen und das Gefäß mit dem Löschsand. Teresa stellte sich an das Pult und schrieb. Dabei schob sich ihre Zunge unter die Unterlippe. Von der Tür her ertönte ein Klappen. Caspar trat ein und fragte: »Darf ich den Herrschaften noch etwas bringen?«
    Froben blickte zerstreut in seine Richtung. »Ja, noch eine Kanne warmen Würzwein und für mich ein Wasser. Dann kannst du die heißen Steine in unsere Betten legen.«
    Caspar kniff die Lippen zusammen, verbeugte sich und ging hinaus.
    Teresa streute Sand auf das Geschriebene, wartete einen Moment, blies darüber und fragte: »Was sollen wir
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