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Die Physiker

Die Physiker

Titel: Die Physiker
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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»Sicher.«
    EINSTEIN: »Gescheiterten Spionen kräht kein Hahn mehr nach.«
    MÖBIUS: »Eben.«
    NEWTON: »Na und ?«
    MÖBIUS: »Ihr müßt bei mir im Irrenhaus bleiben.«
    NEWTON: »Wir?«
    MÖBIUS: »Ihr beide.«
    Schweigen.
    NEWTON: »Möbius! Sie können von uns doch nicht verlangen, daß wir ewig - «
    MÖBIUS: »Meine einzige Chance, doch noch unentdeckt zu bleiben. Nur im Irrenhaus sind wir noch frei. Nur im Irrenhaus dürfen wir noch denken. In der Freiheit sind unsere Gedanken Sprengstoff.«
    NEWTON: »Wir sind doch schließlich nicht verrückt.«
    MÖBIUS: »Aber Mörder.«
    Sie starren ihn verblüfft an.
    NEWTON: »Ich protestiere!«
    EINSTEIN: »Das hätten Sie nicht sagen dürfen, Möbius!«
    MÖBIUS: »Wer tötet, ist ein Mörder, und wir haben getötet.
    Jeder von uns hatte einen Auftrag, der ihn in diese Anstalt führte. Jeder von uns tötete seine Krankenschwester für einen bestimmten Zweck. Ihr, um eure geheime Mission nicht zu gefährden, ich, weil Schwester Monika an mich glaubte. Sie
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    hielt mich für ein verkanntes Genie. Sie begriff nicht, daß es heute die Pflicht eines Genies ist, verkannt zu bleiben. Töten ist etwas Schreckliches. Ich habe getötet, damit nicht ein noch schrecklicheres Morden anhebe. Nun seid ihr gekommen. Euch kann ich nicht beseitigen, aber vielleicht überzeugen? Sollen unsere Morde sinnlos werden? Entweder haben wir geopfert oder gemordet. Entweder bleiben wir im Irrenhaus, oder die Welt wird eines. Entweder löschen wir uns im Gedächtnis der Menschen aus, oder die Menschheit erlischt.«
    Schweigen.
    NEWTON: »Möbius!«
    MÖBIUS: »Kilton?«
    NEWTON: »Diese Anstalt. Diese schrecklichen Pfleger. Diese bucklige Ärztin!«
    MÖBIUS: »Nun?«
    EINSTEIN: »Man sperrt uns ein wie wilde Tiere!«
    MÖBIUS: »Wir sind wilde Tiere. Man darf uns nicht auf die Menschheit loslassen.«
    Schweigen.
    NEWTON: »Gibt es wirklich keinen andern Ausweg?«
    MÖBIUS: »Keinen.«
    Schweigen.
    EINSTEIN: »Johann Wilhelm Möbius. Ich bin ein anständiger Mensch. Ich bleibe.«
    Schweigen.
    NEWTON: »Ich bleibe auch. Für immer.«
    Schweigen.
    MÖBIUS: »Ich danke euch. Um der kleinen Chance willen, die nun die Welt doch noch besitzt davonzukommen.« Er erhebt sein Glas. »Auf unsere Krankenschwestern!«
    Sie haben sich feierlich erhoben.
    NEWTON: »Ich trinke auf Dorothea Moser.«
    DIE BEIDEN ANDERN: »Auf Schwester Dorothea!«
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    NEWTON: »Dorothea! Ich mußte dich opfern. Ich gab dir den Tod für deine Liebe! Nun will ich mich deiner würdig erweisen.«
    EINSTEIN: »Ich trinke auf Irene Strauß.«
    DIE BEIDEN ANDERN: »Auf Schwester Irene!«
    EINSTEIN: »Irene! Ich mußte dich opfern. Dich zu loben und deine Hingabe zu preisen, will ich vernünftig handeln.«
    MÖBIUS: »Ich trinke auf Monika Stettier.«
    DIE BEIDEN ANDERN: »Auf Schwester Monika!«
    MÖBIUS: »Monika! Ich mußte dich opfern. Deine Liebe segne die Freundschaft, die wir drei Physiker in deinem Namen geschlossen haben. Gib uns die Kraft, als Narren das Geheimnis unserer Wissenschaft treu zu bewahren.«
    Sie trinken, stellen die Gläser auf den Tisch.
    NEWTON: »Verwandeln wir uns wieder in Verrückte. Geistern wir als Newton daher.«
    EINSTEIN: »Fiedeln wir wieder Kreisler und Beethoven.«
    MÖBIUS: »Lassen wir wieder Salomo erscheinen.«
    NEWTON: »Verrückt, aber weise.«
    EINSTEIN: »Gefangen, aber frei.«
    MÖBIUS: »Physiker, aber unschuldig.«
    Die drei winken sich zu, gehen auf ihre Zimmer. Der Raum ist leer. Von rechts kommen McArthur und Murillo. Sie tragen nun beide eine schwarze Uniform mit Mütze und Pistolen. Sie räumen den Tisch ab. McArthur fährt den Wagen mit dem Geschirr nach rechts hinaus, Murillo stellt vor das Fenster rechts den runden Tisch, darauf die umgekehrten Stühle, wie beim Aufräumen in einer Wirtschaft. Dann geht auch Murillo nach rechts hinaus. Der Raum ist wieder leer. Dann kommt von rechts Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd. Wie immer mit weißem Ärztekittel, Stethoskop. Sie schaut sich um. Endlich kommt noch Sievers, ebenfalls in schwarzer Uniform.
    OBERPFLEGER: »Boss.«
    FRL. DOKTOR: »Sievers, das Bild.«
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    McArthur und Murillo tragen ein großes Porträt in einem schweren goldenen Rahmen herein, einen General darstellend.
    Sievers hängt das alte Porträt ab und das neue auf.
    FRL. DOKTOR: »Der General Leonidas von Zahnd ist hier besser aufgehoben als bei den Weibern. Er sieht immer noch großartig aus, der alte Haudegen, trotz seines Basedows. Er liebte
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