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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London
Autoren: Daniel Defoe
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weniger ging es nicht, besonders wie die Dinge Ende August und Anfang September aussahen und wie man damals die Zukunftsaussichten beurteilen mußte; denn niemand erwartete, und ich möchte sagen, niemand hätte es für möglich gehalten, daß die Seuche eine so plötzliche Wendung nehmen würde, wie es dann geschah, und sogleich um 2000 Tote in der Woche zurückgehen würde, während man doch wußte, daß eine so ungeheure Zahl von Menschen damals krank war; und zu dem Zeitpunkt geschah es, daß viele sich noch davonmachten, die bis dahin geblieben waren.
    Außerdem: Wenn Gott einem mehr Kraft gab als dem anderen, war es, damit dieser sich brüste, wie er im Getümmel standzuhalten vermocht habe, und damit er die schmähe, die diese Gabe und den gleichen Beistand nicht hatten? Oder hätte er nicht besser demütig und dankbar sein sollen, daß er sich hatte nützlicher machen können als seine Mitbrüder?
    Ich meine, diese Männer sollten in ehrenhafter Erinnerung gehalten werden: Geistliche sowohl wie Ärzte, Wundärzte, Apotheker, Beamte aller Art und alle anderen hilfreichen Menschen, die in der Ausübung ihrer Pflicht ihr Leben aufs Spiel setzten; denn das taten sie sicherlich alle, die dablieben, und zwar bis zum Äußersten, und eine Reihe von ihnen wagte nicht nur, sondern verlor ihr Leben in dieser traurigen Gegebenheit.
    Ich habe einmal eine Liste zusammengestellt, ich meine, nach den Berufen und Tätigkeiten, in deren pflichttreuer Ausübung, so möchte ich es nennen, alle diese starben; aber es war für eine Privatperson unmöglich, zu einer genauen Aufstellung im einzelnen zu kommen. Ich erinnere mich nur, daß es sechzehn Geistliche waren, zwei Stadträte, fünf Ärzte, dreizehn Wundärzte, die innerhalb der City und der Stadtfreiheit vor Anfang September gestorben waren. Aber da dann ja wie gesagt die große Krise und der Höhepunkt der Pest einsetzte, kann die Liste nicht vollständig sein. Was untergeordnete Leute angeht, so glaube ich, es starben sechsundvierzig Konstabler und Gemeindediener in den beiden Pfarren Stepney und Whitechapel; aber dann konnte ich meine Liste nicht fortführen, denn als im September die Seuche uns mit ihrer rasenden Wut anfiel, verloren wir alle Übersicht. Man hätte ein Wochenregister veröffentlichen können und darauf schreiben: sieben- oder achttausend oder was man sonst wollte; es ist nur sicher, daß die Menschen haufenweise starben und haufenweise begraben wurden, das heißt ohne daß man sie zählte. Und wenn ich einigen Leuten glauben darf, die mehr auf dem laufenden waren und die Dinge besser kannten als ich – obwohl ich für einen, der nicht mehr zu tun hatte als ich, ziemlich herumkam – , ich sage, wenn ich ihnen glauben darf, wurden in den ersten drei Wochen des September nicht viel weniger als 20 000 in der Woche begraben. Wie sehr sie auch die Wahrheit dieser Angabe beteuern, ich ziehe es vor, bei den amtlichen Berichten zu bleiben; sieben- oder achttausend in der Woche sind genug, um all das zu bestätigen, was ich über die Schrecknisse der Zeit gesagt habe; und es ist sowohl für mich, den Schreiber, als auch für den Leser befriedigender, wenn ich sagen kann, alles sei mit Maß und innerhalb maßvoller Grenzen hier niedergelegt worden und nicht darüber hinaus.
    Aus all diesen Gründen, sage ich, hätte ich wünschen mögen, unsere Lebensführung hätte sich, nachdem wir uns erholt hatten, in der Erinnerung an die bestandene Notzeit mehr durch Nächstenliebe und Menschenfreundlichkeit ausgezeichnet und es hätte nicht so viel Selbstbewunderung gegeben, weil wir so tapfer dageblieben seien; als ob alle Menschen Feiglinge wären, die vor der Strafe Gottes fliehen! Und als ob die, die bleiben, nicht manchmal ihre Tapferkeit ihrer Unwissenheit verdanken oder einem Trotz gegen die Fügungen ihres Schöpfers! Denn das ist eine verbrecherische Art der Todesverachtung, aber keine echte Tapferkeit.
    Ich kann nicht umhin, es hier festzuhalten, daß die Beamten, also die Konstabler, Gemeindediener, Bürgermeisters- und Sheriffs-Dienstleute wie auch die Gemeindepfarrer, deren Amt es war, sich der Armen anzunehmen, ihre Pflicht mit aller nur wünschenswerten Tapferkeit ausübten und vielleicht mit noch mehr, denn ihre Arbeit schloß noch mehr Gefahren ein, da sie unter den Armen zu verrichten war, die für die Infektion besonders anfällig waren und in die erbärmlichste Bedrängnis gerieten, wenn sie befallen wurden.
    So muß denn hinzugefügt werden, daß von
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