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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London
Autoren: Daniel Defoe
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ihnen eine große Anzahl starb; es war ja auch kaum anders möglich.
Ich habe hier noch kein Wort über die Arzneien und Präparate gesagt, die wir gewöhnlich bei dieser schrecklichen Gelegenheit gebrauchten – ich meine uns, die wir häufig hinaus über die Straßen gingen, so wie ich es tat; hierüber wurde in den Büchern und Handzetteln unserer Quacksalber viel Gerede gemacht, wie ich es ja schon zur Genüge geschildert habe. Es mag jedoch noch hinzugefügt werden, daß das Kollegium der Ärzte täglich mehrere Rezepte veröffentlichte, die sie im Laufe ihrer Praxis erprobt hatten; aber das kann man ja gedruckt finden, und aus dem Grunde möchte ich nicht wieder davon sprechen.
Etwas, was sich meiner Beobachtung aufdrängte, war das Schicksal eines Quacksalbers, der öffentlich kundgetan hatte, er besitze ein ausgezeichnetes Vorbeugungsmittel gegen die Pest, das man nur bei sich zu haben brauche, um nie infiziert zu werden oder in Ansteckungsgefahr zu kommen. Dieser Mann, von dem wir wohl mit Grund annehmen können, daß er nie sein Haus verließ, ohne etwas von seinem ausgezeichneten Vorbeugungsmittel mit sich in der Tasche zu führen, wurde dennoch von der Pest ergriffen und in zwei oder drei Tagen dahingerafft.
Ich gehöre nicht zu den Arznei-Gegnern oder ArzneiVerächtern; im Gegenteil, ich habe oft erwähnt, welche Achtung ich vor den Verordnungen meines besonderen Freundes Dr. Heath hatte; aber ich muß gestehen, ich gebrauchte wenig oder gar nichts, außer daß ich, wie ich schon berichtete, ein Präparat von starkem Duft in Bereitschaft hielt, für den Fall, daß mir etwas mit lästigem Geruch begegnete oder ich zu nahe an einem Friedhof oder einer Leiche vorbeikam.
Auch tat ich nicht, was andere, wie ich weiß, taten, nämlich sich immerfort in gehobener und angeregter Stimmung zu halten, indem man Herztränke oder Wein oder dergleichen zu sich nahm; dieses, so habe ich erfahren, hatte sich ein gelehrter Arzt so sehr angewöhnt, daß er nicht mehr davon loskam, als die Seuche schon längst vorbei war, und auf diese Weise für sein ganzes Leben ein Trunkenbold wurde.
Ich erinnere mich, wie mein Freund, der Doktor, immer sagte, es gebe eine bestimmte Anzahl von Drogen und Medikamenten, die sicherlich im Falle einer Seuche alle gut und nützlich seien und aus denen oder mit denen die Ärzte eine unendliche Vielfalt von Medizinen mischen könnten, so wie die Glockenspieler durch die wechselnde Anordnung des Tons von nur sechs Glocken mehrere hundert verschiedene Melodien machen könnten; und all diese Medizinen seien tatsächlich sehr gut. »Deshalb wundere ich mich nicht«, sagte er, »daß eine so große Menge von Medizinen in der gegenwärtigen Pestzeit angeboten wird und daß beinahe jeder Arzt etwas anderes verschreibt oder zusammenstellt, je nachdem sein Wissen oder seine Erfahrung ihn anleitet; aber«, sagte mein Freund, »lassen wir einmal alle Rezepte aller Ärzte in London untersuchen, so werden wir feststellen, daß sie alle aus den gleichen Bestandteilen bestehen, mit so geringen Abwandlungen, wie sie die Phantasie den einzelnen Doktoren eingegeben hat; und deshalb kann jedermann, wenn er ein wenig seine Konstitution und Lebensart und die möglichen Umstände seiner Ansteckung in Betracht zieht, sich aus den üblichen Drogen und Medikamenten seine eigene Medizin verschreiben. Nur daß die einen eben dies als das wichtigste ansehen, die anderen jenes. Einige meinen, daß pill. ruff., was als die Antipestpille schlechthin gilt, das beste Präparat ist, das man machen kann; andere glauben, daß Venetianischer Sirup schon allein ausreichend sei, der Ansteckung Widerstand zu leisten; und ich«, so schloß er, »halte es mit beiden, nämlich ich glaube, das letzte ist gut, um es im vorhinein als Vorbeugung zu nehmen, und das erste, um die Krankheit, wenn sie einen befallen hat, auszutreiben.« Dieser Meinung folgend, nahm ich mehrere Male Venetianischen Sirup ein, machte eine kräftige Schwitzkur hinterher und fühlte mich so gefeit gegen die Ansteckung, wie man sich durch die Macht der Arzneien nur gefeit machen kann.
Was die Quacksalber und Marktschreier angeht, von denen die Stadt so voll war, so hörte ich auf keinen von ihnen, und ich habe es immer wieder mit Verwunderung bemerkt, daß zwei Jahre lang nach der Pest kaum einer von ihnen in der Stadt zu sehen oder zu hören war. Einige waren des Glaubens, sie seien alle bis auf den letzten von der Seuche hinweggerafft worden und darin müsse man
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