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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323
Autoren: Elfriede Fuchs
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an.
    Die Schiffe näherten sich rasant dem Ziel. Paruschjatis
Blick folgte ihnen bis zur Ziellinie, bei der auf einem Podest unter einem
Baldachin der Thron des Königs stand. Verwirrt bemerkte sie, dass der mit Gold
und Edelsteinen geschmückte Sessel leer war, nur der Umhang des Königs lag
darauf, purpurn und golden schimmernd. Die Sessel der sieben Königlichen
Leibwächter rechts und links vom Thron waren ebenso leer. Ihre Inhaber liefen
am Ufer des Euphrats entlang, wedelten aufgeregt mit den Armen und feuerten die
Schiffsbesatzungen an. Der, der am lautesten schrie und am wildesten
gestikulierte, war der König.
    „Früher unter dem Großkönig hätte es so etwas nicht
gegeben“, bemerkte Aspamithra missbilligend. Der Hofmeister stand auf seinem
obligatorischen Platz direkt hinter Paruschjatis Sessel und verfolgte die
Szenerie, die in seinen Augen befremdlich und würdelos erscheinen musste.
Paruschjati dagegen war erleichtert, sie hatte den König schon lange nicht mehr
so unbeschwert gesehen. Nicht seit Hephaistions Tod. Vielleicht hatte ihr Traum
in der Nacht doch nichts zu bedeuten gehabt.
    Das führende Schiff hatte seinen Vorsprung knapp ins Ziel
gerettet und schoss in elegantem Schwung über die Ziellinie, begleitet vom
begeisterten Geschrei der Zuschauer.
    „Wer ist der Mann neben dem König?“, fragte Faiduma. Aus der
Entfernung war sein Gesicht kaum zu erkennen, doch man konnte sehen, dass er
jung war und helle Haare hatte wie viele der Eroberer.
    „Das ist Nearchos“, antwortete Vidarna. „Zu seinen Ehren
findet das Fest heute Abend statt. Er wird auf dem Feldzug gegen Arabaja das
Kommando über die Flotte haben.“
    Das siegreiche Schiff hatte inzwischen am Kai festgemacht,
und die Besatzung kam von Bord, um den ihr zustehenden Preis entgegenzunehmen.
    „Wozu soll der Feldzug eigentlich gut sein?“, erkundigte
sich Faiduma. „Ich dachte, Arabaja ist eine Wüste. Was gibt es da schon zu
holen?“
    „Der Feldzug wird den Seeweg zwischen Indien und dem Westen
erschließen“, erklärte Vidarna. „Dann können Schiffe von der Mündung des Ufratu
bis nach …“
    „Da stimmt etwas nicht“, sagte Frataguna plötzlich.
    Weiter flussabwärts sollte jetzt eigentlich die Preisverleihung
stattfinden. Paruschjati konnte den König in seinem Purpurmantel auf dem Thron
sitzen sehen. Dort gehörte er ja auch hin, doch die Eunuchen, die dem
Hofzeremoniell gemäß den Thron umstanden, waren auf die Knie gesunken und
hatten begonnen, sich auf Brust und Gesicht zu schlagen. Ihre schrillen
Klageschreie hallten bis zu ihnen herüber.
    „Warum machen die das?“, fragte Faiduma verblüfft. Niemand
antwortete, alle starrten ratlos hinüber zu dem Podest unter dem Baldachin.
    Dort herrschte inzwischen Chaos. Eunuchen und Diener rannten
durcheinander, Bewaffnete eilten mit gezogenen Schwertern herbei, die
Leibwächter drängten sich durch die schreiende Menge. Zwei oder drei von ihnen,
Paruschjati erkannte Perdikkas und Ptolemaios, sprangen die Stufen zum Thron
hinauf und zerrten den König herunter.
    Entsetzt schrien Paruschjati und Frataguna auf. „Verrat!“,
brüllte Vidarna und riss seinen Akinaka aus der Scheide, als wolle er dem
bedrängten König zu Hilfe kommen. „Ein Anschlag auf den König!“
    Ein einzelner Mann schritt durch die Menge, die sich um ihn
herum teilte wie auf ein unhörbares Kommando. Die Sonne brachte seine hellen
Haare zum Glänzen, und Paruschjati erkannte, wer er war. Der König blieb vor
dem Mann stehen, den man eben vom Thron gezerrt hatte. Perdikkas, Ptolemaios
und der dritte Leibwächter hatten ihm den Königsmantel von den Schultern
gerissen und ihn zu Boden gedrückt. Der König beugte sich zu ihm hinab und
sprach mit ihm. Nach einiger Zeit richtete er sich wieder auf und gab seinen
Leuten ein Zeichen, den Unbekannten fortzubringen.
    „Was, bei allen bösen Geistern, war das?“, fragte Vidarna,
immer noch mit dem Akinaka in der Hand. „Wer war der Kerl auf dem Thron, und
was hatte er dort zu suchen?“
    Niemand wagte zu antworten. Doch allen war klar, dass das,
was sie eben gesehen hatten, nichts Gutes bedeuten konnte.
    Paruschjati hasste die Feste am Hof. Sie hatte sie schon
immer gehasst und würde sie weiterhin hassen, und sie hasste es auch, sich
aufgrund ihrer Stellung nicht vor ihnen drücken zu können. Ihre
Verteidigungsstrategie bestand darin, möglichst spät zu kommen und dafür früh
wieder zu gehen – dann musste sie weniger Zeit damit verschwenden, sich
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