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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Autoren: Ines Thorn
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winzigen Kammer zurück, die sie im schäbigen Haus eines Besenbinders bewohnte. Einen Mann gab es nicht mehr in Marthas Leben. Wer wollte schon eine Frau mit einem Bastard? Niemand. Noch nicht einmal der ärmste Grabenfeger, der schäbigste Bettelvogt oder der kümmerlichste Feldsiechendiener. Es hätte wohl manchen gegeben, der das Lager, nicht aber das Leben mit ihr geteilt hätte, doch die Angst, noch einen weiteren Bastard zur Welt zu bringen, kühlte ihr das heiße Blut.
    Und Luisa selbst würde es auch schwer haben, einen Mann zu finden. Der Makel der unrechten Geburt klebte an ihr wie ein Kainsmal, machte sie schon jetzt zu einer freien Frau, auch wenn sie noch nie die Haut eines Mannes an ihrem warmen Leib gespürt hatte. So musste sie waschen gehen, seit sie groß und stark genug war, die schweren Waschzuber zu füllen und die Wäschestücke auszuwringen.
    Martha war keine gebildete Frau, aber eines wusste sie genau: Eine Zukunft hatte Luisa nicht, ihr Leben war bereits vorgezeichnet. Sie würde ihr Leben lang auf die eine oder andere Art für sich selbst sorgen müssen und vor der Zeit alt und müde werden. Genau wie ihre Mutter.
    Martha seufzte noch einmal, ihre Blicke schweiften durch die Trierische Gasse, in der das übliche Treiben eines ganz normalen Werktages herrschte.
    Die Kürschner hatten die hölzernen Laden vor den Werkstätten im Erdgeschoß weit aufgestoßen. Hier und da hingen Pelze und Rauchwaren zum Lüften, doch der ätzende Geruch von Gerbsäure lag wie ein zerfressenes Tuch über den Häusern und vermischte sich mit dem Gestank des Abfalls.
    Aus den Werkstätten drangen vielerlei Geräusche. Gegenüber klopfte ein Lehrjunge die Felle aus, dass Staub und Holzspäne in die Luft stiegen, daneben stand ein Geselle hinter dem Rumpelbock und schnitt mit dem Scherdegen die Lederseite eines Felles so dünn es eben ging, um später den fertigen Umhang so leicht wie möglich zu halten.
    Die Straße war ungepflastert, nur in der Mitte waren dicke Holzbohlen in die Erde gelassen. Rechts und links der Bohlen türmte sich der Abfall aus den Häusern. Herrenlose Hunde stöberten darin nach Essbarem und wurden von einem Knecht mit dem Knüppel verjagt, als sie sich an die Hühner heranmachen wollten.
    Ein wandernder Scherenschleifer bog in die Gasse ein, und die lauten Rufe, mit denen er seine Dienste anbot, schallten von den Mauern der schmalen, meist dreigeschossigen und tief gestaffelten Giebelhäuser aus Fachwerk zurück. Fensterläden wurden aufgestoßen und aus den weit überhängenden Obergeschossen der Nachbarhäuser, in denen sich die Wohnräume befanden, beugten sich die Hausfrauen und Mägde, riefen nach dem Scherenschleifer oder schwatzten miteinander über die Gasse hinweg.
    Martha fröstelte. Der Waschkittel klebte feucht auf ihrer Haut und verursachte unangenehme Schauer wie von leichtem Fieber. Noch einmal zog sie die wehen Schultern nach hinten, um die steifen Muskeln zu lockern, dann ging sie zurück ins Haus.
    Sie war gerade dabei, Handtücher aus feinem Leinenstoff auszuwringen, als sie Meister Wöhler heimkommen hörte. Ihr fiel der Brief ein, und sie stieg die Treppe in den ersten Stock hinauf in die Meisterstube.
    Meister Wöhler saß hinter einem großen, abgenutzten Kontortisch aus Eichenholz und hatte das Auftragsbuch vor sich liegen. Nachdenklich sah er hinein, die Feder schreibbereit in der Hand. Sein schwerer Körper wirkte selbst hinter dem Tisch noch massig, das dunkelbraune dichte Haar lag wie eine Fellmütze auf seinem Kopf, unter den buschigen Brauen sahen ihr zwei haselnussbraune Augen fragend entgegen.
    «Nun, Martha, was gibt es? Ist die Seife alle? Ein Tischtuch zerissen?»
    Die Wäscherin schüttelte den Kopf.
    «Ein Bote brachte eine Nachricht aus dem Kloster Engelthal.»
    Sie griff in ihre Kitteltasche und holte den Brief hervor, der von der Feuchtigkeit in der Waschküche ein wenig gewellt war.
    «Aus dem Kloster», wiederholte Wöhler, nahm den Brief entgegen und erbrach das Siegel.
    Martha sah ihm beim Lesen zu. Sorgsam faltete er den Bogen auseinander, studierte Datum und Unterschrift, dann begann er zu lesen. Plötzlich wich alle Farbe aus seinem Gesicht. Die Lippen verfärbten sich blauviolett. Er starrte auf den Bogen, als täte sich vor ihm die Hölle auf. Martha fühlte sich unbehaglich. Sie strich unruhig mit beiden Händen wieder und wieder ihren Kittel glatt und wartete darauf, dass Wöhler sie entließ. Doch der stöhnte plötzlich auf, ließ den
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