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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Autoren: Alison Croggon
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suchte sie nach dem Morgenstern Ilion, der hell am östlichen Horizont funkelte, und sie roch eine neue Frische in der Luft des frühen Tages. Frühlingsbeginn, dachte sie. Trotz ihrer Müdigkeit hob sich ihre Stimmung. Dann blickte sie auf ihre schwieligen Hände hinab und seufzte. Aber nicht für mich; ich welke bereits. Was wird nur aus mir werden ?
    Mit stumpfem Hass starrte sie auf die armseligen Behausungen ringsum. Abgesehen von den Gemächern des Lehnsherrn und der Großen Halle, die besser instand gehalten wurden als die meisten Gebäude, bestand die Feste aus Steinhütten mit Erdböden und Dächern aus verrottenden Holzschindeln. Viele Mauern bröckelten unter der Last des Alters und waren notdürftig mit Pflastern aus Lehm und Stroh geflickt worden, die ihnen ein sonderbar gebrechliches Aussehen bescherten. Es stank nach faulenden Misthaufen und menschlichem Dreck. Aus der Schlafhütte hörte Maerad das Greinen eines kranken Kindes. Irgendjemand brüllte wütend, dann folgte das trockene Schluchzen einer Frau. Was soll aus mir werden ?, fragte sie sich sinnloserweise. Gleich darauf zersprengte das Geläut der Dienstglocke ihre Gedanken. Sie schüttelte sich und stapfte zum Gemeinschaftsraum, um das karge Frühstück aus dünnem grauen Haferschleim einzunehmen und ihre Aufgaben für den Tag zugewiesen zu bekommen. An jenem Morgen wurde Maerad zum Milchhof geschickt, Lothars Bereich. Pech gehabt. Nachdem sie ihn zuvor vor den Kopf gestoßen hatte, würde sie sich nun den ganzen Tag mit ihm herumschlagen müssen, und heute fühlte sie sich ausgesprochen müde. In der vergangenen Nacht hatte eines von Baron Gilmans Gelagen stattgefunden, eine besondere Zusammenkunft zu Ehren der ersten Jagd des Frühlings. Seine Männer waren hungrig, zerzaust, blutbespritzt und streitlustig zurückgekehrt und hatten nach Bier, Voka, gebratenem Fleisch und Musik gebrüllt. Für Gilman zählte das Ereignis zu den Höhepunkten des Jahres, und die Arbeit für die Sklaven verdoppelte sich. Maerad hatte eine zusätzliche Schicht in der Küche geschuftet, um das erlegte Wild auf den Eisenspießen zu drehen und zu braten. Danach hatte sie, weil sie die einzige Musikantin in der Feste war, die ganze Nacht in der Großen Halle gesessen und die Balladen zum Besten gegeben, die sie so langweilig fand: Geschichten über das Abschlachten von Wild und den Mut von Männern und Hunden; und später Trinklieder und die schlüpfrigen Weisen, die sie am meisten von allen hasste. »Große Halle« war ein hochtrabender Name für etwas, das eigentlich nur einen großen Schuppen darstellte, mit groben Querbalken und einem rußgeschwärzten Loch im Dach, um den Rauch des mächtigen Feuers abziehen zu lassen, das stets mitten auf dem Boden brannte. Maerad hockte mit ausdrucksloser Miene, um ihre Verachtung zu verbergen, mit ihrer Leier in einer Ecke, während zwanzig Männer an einem langen, grob gearbeiteten, entlang der Wand aufgestellten Holztisch saßen, mit bloßen Händen Fleisch von Knochen rissen und sich mit Voka in die Besinnungslosigkeit tranken, einem scharfen Schnaps, der aus Steck- und Kohlrüben gebrannt wurde und einem die Tränen in die Augen trieb. Sie hatten sich nicht die Mühe gemacht, sich zu waschen, weshalb ihr säuerlicher Gestank und der Holzrauch Maerad das Wasser in die Augen trieben. Zu ihrer unaussprechlichen Erleichterung versuchte niemand, sie zu begrapschen; dennoch fühlte sie sich allein durch die lüsternen Blicke der Männer beschmutzt. Im Verlauf der Nacht wurde es in der Halle heißer und stickiger. Maerad fühlte sich regelrecht benommen vom Dunst und der eigenen Erschöpfung. Sie spielte schlecht, was selbst unter solchen Bedingungen selten vorkam, doch es fiel niemandem auf.
    Das Gelage endete kurz vor dem Morgengrauen, als die Köpfe der letzten Trunkenbolde mit dem Gesicht voraus auf den langen Tisch plumpsten und mit dem Rest, der sich bereits im Schlaf auf die Hände sabberte oder im eigenen Erbrochenen gelandet war, um die Wette schnarchten. Erst da konnte die vor Müdigkeit zitternde Maerad endlich ihre Leier packen und die Halle verlassen. Zwischen schlafenden Hunden, zu Boden geworfenen Knochen, Unrat, verschüttetem Voka und ratzenden Leibern hindurch stolperte sie nach draußen an die frische Luft. Sie war so erschöpft, dass sie sich nur noch den Weg zu den Sklavinnenunterkünften bahnte und sich sogleich auf ihre armselige Pritsche legte, um noch eine knappe Stunde Schlaf zu erhaschen.
    Im Kuhstall
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