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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Autoren: Alison Croggon
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der anderen Seite. Dort begaben sie sich eine weitere Treppe hinab und nach links in einen weiteren Flur, gesäumt von mehreren kleinen, robusten Eichentüren. Die Wände wirken gröber behauen, und die Luft roch feuchter und schaler, als würden diese Korridore nicht oft benutzt. Am fernen Ende hielt er vor einer Tür an, holte einen Schlüsselbund von der Hüfte und entriegelte das Schloss. Das Bardenlicht flackerte durch den Eingang, doch Maerad konnte nur ein paar graue Steinstufen erkennen, die in undurchdringliche Dunkelheit verschwanden.
    »Hier ist es«, sagte Nelac. »Dieser Weg führt zu einem Felshang tief unten, von dort müsst ihr euch nur einen Pfad über die Felsen zum Kai bahnen. Die nächsten sechs Stunden herrscht Ebbe, ihr braucht also nicht zu schwimmen. Ich glaube zwar nicht, dass Enkir von diesem Gang weiß, aber ich kann nicht sicher sein; es gibt andere, weniger geheime Gänge, die zu den unteren Kreisen führen. Dass ihr einen davon verwendet, wird er wohl erwarten, aber die Öffnung dieses Wegs sollte unbewacht sein. Nur was die Kais angeht, bin ich nicht sicher. Die Zitadelle wird inzwischen abgeriegelt sein, und ich denke, Enkir wird den Weg über das Meer nicht außer Acht lassen. Seid auf der Hut!«
    Er setzte ab und wischte sich mit der Hand über die Stirn. Cadvan musterte ihn eindringlich. »Nelac, ich wünschte, du würdest mit uns kommen«, sagte er. »An diesem Ort fürchte ich um dich.«
    »Nein, Cadvan«, entgegnete Nelac und lächelte verkniffen. »Ich bin zu alt für solche Unternehmungen. Ich will dich nicht belügen: Mein Herz ist schwer von einer düsteren Vorahnung. Uns stehen schlimme Zeiten bevor. Aber ich werde hier gebraucht.«
    Cadvan widersprach ihm nicht; nur die Traurigkeit in seinen Zügen verstärkte sich. »Hört mir jetzt gut zu«, forderte Nelac sie auf. »Owans Boot nennt sich die Weiße Eule. Es besitzt rote Segel, auf denen das Zeichen in Weiß zu sehen ist. Ihr werdet ihn leicht erkennen, er ist groß und dunkel, wie es auf Thorold üblich ist.« Während er sprach, hatte Maerad ein lebendiges Bild vor Augen: ein dunkles, fröhliches Gesicht mit Augen so grau wie die See. »Er sagte, er würde euch an der Felswandseite des Kais erwarten, und er weiß, wie ihr ausseht. Begebt euch dorthin, so schnell ihr könnt. Ihm könnt ihr vertrauen.« Der alte Barde schaute von Cadvan zu Maerad. »All meine Hoffnung geht mit euch beiden. Tut, was ihr tun müsst. Die Finsternis darf nicht die Oberhand erringen.«
    Plötzlich quoll Maerad über vor Liebe für diesen alten Mann, der so freundlich, weise und menschlich war und doch auch streng und stark wie ein Fels, wie sie wusste. Sie schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn auf die Wange. Nelac wirkte etwas überrascht, lächelte aber.
    »Lebwohl, junge Bardin«, sagte er.
    »Lebt wohl, Nelac«, flüsterte Maerad, nach wie vor mit den Armen um seinen Hals. »Danke.« Damit ließ sie ihn los und trat zurück.
    »Was das Licht will, kann kein Frost töten«, meinte Nelac. »Erinnert euch daran. Die Wurzeln des Baumlieds reichen tief, und Triebe davon können auftauchen, wo man sie am wenigsten erwartet. Haltet allzeit die Augen offen!« Maerad nickte. »Lebwohl, Cadvan.« Der ehemalige Schüler umarmte seinen Lehrer wortlos. Dann betraten Cadvan und Maerad den Gang, und Nelac schloss die Tür hinter ihnen. Maerad hörte, wie der Schlüssel sich im Schloss drehte.
    Einen Lidschlag lang herrschte völlige Finsternis, doch bald erblühte in der Schwärze langsam ein fahler, silbriger Schimmer. Der Schein ging von Cadvan aus, aber er rührte sich nicht. Stattdessen starrte er geradeaus ins Leere.
    »Ich bezweifle, dass ich Nelac je wiedersehen werde«, sagte er mit tonloser Stimme. »Wenngleich ich wissen würde - bestimmt würde ich es wissen -, wenn er stürbe…« Aus seinem Tonfall sprach Anspannung, ein quälender Zweifel, und eine Weile erwiderte Maerad nichts.
    »Du weißt nicht, was geschehen wird«, meinte sie schließlich unbeholfen. »Und Nelac ist stark.«
    »Ja.« Cadvan seufzte schwer und verdrängte seine Gedanken. »Es wäre einfacher, wenn ich einen Stab hätte, um Licht zu machen«, erklärte er. »Ich verwende nur selten einen, aber über längere Zeiträume ist das hilfreich. Vielleicht können wir uns abwechseln; ich möchte mich auf dem Marsch nicht allzu sehr erschöpfen. Schließlich haben wir keine Ahnung, was uns am anderen Ende erwartet.«
    Maerad schaute voraus. Der Durchgang war grob in den
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