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Die Normannen

Die Normannen

Titel: Die Normannen
Autoren: C.H.Beck
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Normandie (Basse Normandie) die Stadt Caen, die zu einer Art zweiter Hauptstadt wurde. Hier ließ er ein benediktinisches Männerkloster (Saint-Étienne) errichten, das er zur Grablege seiner Familie bestimmte, während seine Gemahlin ein benediktinisches Frauenkloster (Sainte-Trinité) stiftete. Diese Gründungen besiegelten die Versöhnung mit Papst Nikolaus II., der nun Wilhelms Ehe mit Mathilde anerkannte, nachdem sein Vorgänger, Leo IX., sie wegen zu naher Verwandtschaft der Ehegatten für ungültig erklärt hatte.
    In den nächsten Jahren schuf Wilhelm ein Netzwerk von Klöstern, das zur Integration von unterer und oberer Normandie beitrug: Im Jahre 1035 lagen acht der damals bestehenden zehn normannischen Abteien im Tal der Seine, also in der oberen Normandie; beim Tod Wilhelms (1087) gab es hingegen in der unteren Normandie vierundzwanzig Klöster, in der oberen Normandie nur sechzehn. Der Herzog förderte die Mönchsgemeinschaften, denn durch sie konnte sein Herzogtum am kulturellen Aufschwung Europas teilnehmen.
    Im Gefolge Wilhelms von Volpiano, der in der Abtei Fécamp neben der Schule für die Mönche auch eine solche für Laien eingerichtet haben soll – damals eine Seltenheit –, kamen hochgebildete Geistliche ins Land: Johannes von Ravenna, ein Neffe Wilhelms, wurde 1028 dessen Nachfolger als Abt von Fécamp, ein Amt, das er fünfzig Jahre lang bekleidete. Er war ein angesehener Arzt und Theologe sowie ein umsichtiger Verwalter des Klosterbesitzes. Ein anderer Schüler Wilhelms, ein Italiener namens Suppo, wurde Abt von Mont-Saint-Michel (1033–48), dessen Bibliothek so berühmt wurde, dass einer der wenigen Kenner des Griechischen im westlichen Abendland, der Venezianer Anastasius, dort als Mönch eintrat.
    Ebenfalls aus Italien kamen Intellektuelle ersten Ranges wie Lanfranc von Pavia, zunächst Prior in Le Bec-Hellouin, wo er Theologie lehrte und nebenher die Finanzen des Klosters in Ordnung brachte. Herzog Wilhelm ernannte ihn 1063 zum Abt von Saint-Étienne in Caen und machte ihn nach der Eroberung Englands zum Erzbischof von Canterbury. Lanfranc war auch ein erfolgreicher Diplomat, der dem Herzog das Wohlwollen derPäpste verschaffte. Ein weiterer Norditaliener, Anselm von Aosta, ein hervorragender Theologe, Philosoph und Pädagoge, wurde Lanfrancs Nachfolger als Prior von Le Bec (1063) und folgte ihm später auf dem Erzbischofsstuhl von Canterbury (1093).
    Die Mönche waren Experten in Theologie und Philosophie: Lanfranc und Anselm gelten als die Begründer der sogenannten Scholastik, die der Vernunft eine im mittelalterlichen Denken bisher unbekannte Rolle zugestand. Sie kannten sich aber auch in der Medizin, Literatur, Kirchenmusik und Architektur aus. Ihre mittelalterlichen Klosterbauten beeindrucken noch heute ebenso sehr wie die Kathedralen.
    Der Herzog förderte die Kirche, weil sie die Stabilität seiner Herrschaft garantierte. Dafür duldeten die Päpste, ganz anders als etwa im römisch-deutschen Reich, weitgehende Eingriffe in Kirchenangelegenheiten. Da nur die Geistlichen die lateinische Sprache beherrschten, in der damals alle Dokumente ausgestellt wurden, war ihre Mitarbeit bei der Verwaltung des Herzogtums unentbehrlich. Obwohl die Herzöge der Normandie theoretisch Vasallen des Königs von Frankreich waren, handelten sie in der Praxis selbständig und kontrollierten in ihrem Herrschaftsbereich Adel und Geistlichkeit. Diese starke Stellung ermöglichte es Herzog Wilhelm, nach dem kinderlosen Tod des mit ihm verwandten Königs von England (1066) seine Ansprüche auf den englischen Thron durchzusetzen.
    Die ersten Herzöge der Normandie:
Rollo (Graf)
911–ca. 927/933
Wilhelm Langschwert (Graf/Markgraf)
ca. 927–942
Richard I.
942–996
Richard II.
996–1026
Richard III.
1026–1027
Robert I.
1027–1035
Wilhelm der Eroberer (ab 1066 auch König v. England)
1035–1087
    Herzöge der Normandie und Könige von England

II. Der Sprung über den Kanal
1. Die normannische Eroberung Englands
    Das Jahr 1066 ist von epochaler Bedeutung für die Geschichte Englands: Mit der Schlacht von Hastings, in der König Harald von Wessex gegen den normannischen Herzog Wilhelm den Eroberer Leben und Thron verlor, endete die angelsächsische Epoche Englands (5.–11. Jahrhundert). Unter dem neuen normannischen König und seinen Nachfolgern wurde das Land von Herrschern regiert, die aus Frankreich stammten. Als mit Heinrich II. 1154 die aus dem Anjou gebürtige Dynastie der Plantagenêts,
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