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Die Normannen

Die Normannen

Titel: Die Normannen
Autoren: C.H.Beck
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vergiftet worden. Der neue Herzog hatte erhebliche Schwierigkeiten, sich der Loyalität der normannischen Adelsfamilien zu versichern, und konnte sich nur mithilfeseines Onkels, des Erzbischofs Robert I. von Rouen (gest. 1037), allmählich durchsetzen.
    Die politische Unsicherheit in der Normandie wuchs, als Herzog Robert 1035 auf einer Wallfahrt nach Jerusalem den Tod fand. Warum er eine solche damals lebensgefährliche Reise antrat, ist unklar. Vielleicht hatte ihn die Begeisterung angesteckt, mit der um 1033, aus Anlass der tausendjährigen Wiederkehr des Todes Christi, Massen von Pilgern aus Europa ins Heilige Land aufbrachen. Oder war es eine Bußwallfahrt, mit der er Sühne für ein schweres Vergehen, etwa den Mord an seinem Bruder, leisten wollte?
    Jedenfalls ließ er nur einen unmündigen Nachfolger zurück, den sieben- oder achtjährigen Wilhelm. Dieser war zudem ein unehelicher Sohn aus einem Verhältnis mit der Tochter eines Gerbers, was ihm den abschätzigen Beinamen «der Bastard» einbrachte. Erst nach der Eroberung Englands (1066) wurde dieser Beiname in «der Eroberer» umgewandelt. Herzog Robert hatte vor seiner Abreise dafür gesorgt, dass seine Vasallen schworen, den kleinen Wilhelm als Nachfolger anzuerkennen. Vielleicht hatte er auch die notwendige Zustimmung seines Lehnsherrn, des Königs Heinrich I. von Frankreich (1031–60), eingeholt. Robert musste sich aber darüber im Klaren sein, dass das alles wenig nutzen würde, wenn er nicht lebend von der Wallfahrt heimkehren sollte. Nur ein erwachsener Herzog konnte erfolgreich herrschen.
    Die Lage des jungen Wilhelm wurde immer prekärer, nachdem 1037 sein Großonkel Erzbischof Robert von Rouen gestorben war und wenige Jahre danach seine beiden Vormünder Graf Gilbert von Brionne und Herzog Alain von der Bretagne ermordet wurden. Nun musste er ernsthaft um sein Leben fürchten. Als sein Vetter Guido von Burgund 1047 Anspruch auf das Herzogsamt erhob und die Unterstützung vieler normannischer Adliger sowie des Grafen Gottfried Martell von Anjou fand, schien das Ende Wilhelms besiegelt. Dem nunmehr neunzehnjährigen Herzog gelang es jedoch, in der Schlacht von Val-ès-Dunes (unweit von Caen) mit Hilfe des französischen Königs Heinrich I. seine Gegner zu besiegen.
    Politische Stabilisierung und christliche Durchdringung In den nächsten Jahren konnte Wilhelm seine Herrschaft im Süden bis nach Domfront ausdehnen und die Grenze durch Burgen sichern. Es handelte sich vorwiegend um sogenannte Motten (vom franz. motte), künstlich aufgeschüttete Hügel, die mit hölzernen Palisaden befestigt und durch einen Graben gesichert waren. Steinerne Befestigungen waren in der Normandie des 11. Jahrhunderts noch die Ausnahme. Der Herzog setzte es durch, dass ohne seine Zustimmung keine Burgen gebaut werden durften; die Festungen seiner Vasallen konnte er bei Bedarf beschlagnahmen. Zudem gelang es ihm, die mächtigsten normannischen Adligen an seinen Hof zu ziehen und in seine Politik einzubinden. Einige von ihnen, wie Wilhelm Fitz Osbern und Roger von Montgomery, sollten sich später in England als wertvolle Mitarbeiter erweisen. Andere Adlige, die nicht bereit waren, sich unterzuordnen, wurden gezwungen, das Land zu verlassen. Der vom Herzog verkündete sogenannte Gottesfrieden, nach dem es an bestimmten Tagen allen außer ihm selbst verboten war, die Waffen zu führen, schränkte die Handlungsfreiheit des Adels ein und erhöhte die Sicherheit der Bevölkerung.
    Herzog Wilhelm konsolidierte seine Herrschaft weiter durch die Heirat mit Mathilde, einer Tochter des Grafen Balduin von Flandern (um 1050). Im Jahre 1051 besuchte er seinen Onkel König Eduard von England. Als Wilhelm sich schließlich mit dem mächtigen Grafen Gottfried Martell von Anjou verbündete, rief dies den Unmut des französischen Königs hervor. Die militärischen Auseinandersetzungen endeten aber in der Schlacht von Mortemer (1054) mit einem Sieg des normannischen Herzogs, was zum Niedergang der königlichen Autorität beitrug. Als König Heinrich I. 1060 starb, hinterließ er einen minderjährigen Nachfolger, dessen Vormundschaft Graf Balduin von Flandern, Wilhelms Schwiegervater, übernahm. So konnte Wilhelm sich in den folgenden Jahren ungestört dem Ausbau seines Herzogtums widmen.
    Bis dahin war das im Osten der Normandie, der oberen Normandie (Haute Normandie), gelegene Rouen das unbestrittene Zentrum des Herzogtums gewesen. Um 1060 gründete Wilhelmin der westlichen unteren
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