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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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»Schließlich können wir Götter ja nicht einfach unter den anderen Lebewesen wohnen.«
    Odin führte Vili und Ve in die Mitte Midgards, und mit gemeinsamen Götterkräften schütteten sie dort einen riesigen Berg auf. Der Berg war bald so hoch, dass sein Gipfel in den Wolken verschwand. Die Brüder stiegen hinauf und errichteten über den Wolken eine dritte Welt. Die schönste von allen. Die Sterne waren so nah und die Luft so kühl. Alles, was die Götter in Midgard geschaffen hatten, führten sie hier zur Vollendung. Es gab goldene Haine, blühende Gärten, und der Gesang der Vögel war so lieblich wie Musik. In der Mitte der obersten Welt gründeten die Götter ihr eigenes Reich. Da Odin, Vili und Ve sich selbst als Asen bezeichneten, nannten sie das Land im Himmel Asgard.Von nun an gab es also drei Welten: Asgard, das Reich der Götter, darunter Midgard, die Welt der Menschen, und ganz unten Niflheim, das Land des ewigen Eises.
    Während die Götter die oberste und die mittlere Welt weiter nach ihren Bedürfnissen einrichteten, drang die Kraft des Lebens auch hinunter in die eisigen Tiefen Niflheims. Dort, wo es am kältesten und dunkelsten ist, nahe dem Brunnen Hvergelmir, brach die Eisdecke auf, und ein zarter grüner Trieb kam daraus empor. Das Pflänzchen wuchs, wurde stärker und größer mit jedem Funken Leben, der in den oberen Welten entstand, und bald wurde der Trieb zum Baum. Eine junge Esche, vom Eiswind geschüttelt und mit Reif überzogen, aber doch stark genug, der Dunkelheit zu trotzen. Die Esche wuchs und gedieh, ihre biegsamen Wurzeln krallte sie in den gefrorenen Boden, ihre Zweige aber streckten sich nach der Wärme und dem Licht. Es dauerte nicht lange, da war sie so groß, dass ihr Wipfel die Nebel Niflheims hinter sich gelassen hatte. Spendeten die Götter Leben, so lebte auch die Esche weiter, erlangte neue Kraft und durchbrach schließlich die Erdkruste Midgards. Aus dem jungen Schössling wurde ein starker Baum, so fest und sicher, dass weder Schwert noch Feuer ihm etwas anhaben konnten und er seine Zweige schließlich sogar im Reich der Götter ausbreitete. Seither verband die Esche alle drei Welten miteinander wie eine immer grünende Achse des Lebens.
    Odin betrachtete sie mit Wohlgefallen.
    »Du bist ein rechter Odinsbaum«, sagte Odin und klopfte auf den riesigen Stamm. »Wenn der Wind durch deine Zweige fährt und sie schüttelt, dann ist es, als würdest du auf dem Sturm reiten. Daher nenne ich dich Yggdrasil, den Sturmrenner.«
    Viel Zeit war vergangen, seit die Götter damit begonnen hatten, die Welten zu erschaffen. Jetzt endlich, nach all den Anstrengungen der Schöpfung und den blutigen Kämpfen mit den Riesen, jetzt konnten sich die Götter ihre eigenen Paläste bauen, jeder nach seinem Geschmack.
    Als Baugrund schlug Odin das Idafeld vor, eine endlose Ebene im Herzen Asgards. »Da ich der oberste Gott bin, werde ich auch die größte Burg haben. Sie soll in der Mitte des Idafelds entstehen, und ihr Name wird Gladsheim sein, der Ort, an dem ewig die Freude wohnt.«
    Bevor Vili und Ve noch etwas über ihre eigenen Baupläne sagen konnten, hatte sich Odin bereits in einen Adler verwandelt und flog davon, um aus der Luft den Grundriss seiner Wohnstatt abzumessen, und es dauerte drei Tage, bis er zurückkehrte.
    Während Odin fort war, arbeiteten Vili und Ve an ihren eigenen Palästen, und sie hatten sie beinahe fertiggestellt, als Odin wieder bei ihnen landete. Er sträubte sein Adlergefieder, als er die neuen Bauwerke sah, und verwandelte sich zurück in seine göttliche Gestalt.
    »Zwei Burgen aus Stein und Holz? Liebe Brüder, sie sind zwar recht stattlich und groß, aber doch nicht ganz das, was einem Gott gebührt. Seht her, wie Odin wohnt.«
    Und im Handumdrehen erwuchs auf dem Idafeld die Götterburg Gladsheim.
    Sie bestand ganz und gar aus Gold und Edelsteinen und strahlte im Licht so hell, dass Vili und Ve ihre Augen bedecken mussten. Da verstanden sie, warum Odin seine Burg Gladsheim genannt hatte, das Glanzheim. Odin aber nahm seine Brüder bei sich auf, und es war, als würden die Drillinge von nun an zu einer Person verschmelzen.
    Gladsheim war und blieb das gewaltigste Bauwerk in ganz Asgard.
    Das Zentrum der Burg bildete ein lang gezogenes Gebäude, das von den anderen Teilen der Burg wie in einem Gehöft umringt wurde: die riesenhafte Festhalle Walhall. Sie besaß 540 Tore, jedes davon breit genug, um jeweils 800 Krieger gleichzeitig hindurchzulassen. Die
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