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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod
Autoren: Claudia Kern
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in Bewegung, fest entschlossen, seinen ehemaligen Meister nicht davonkommen zu lassen.
    Lorenz stellte sich ihm in den Weg, hatte auf einmal einen Dolch in der Hand und …
    Da war Rüsch heran und attackierte Lorenz mit einem seiner Schwerter. Nur mit dem Dolch bewaffnet, hatte Lorenz dem wütenden Schmuggler kaum etwas entgegenzusetzen. Rüsch’ erster Schwertstreich traf seinen rechten Arm, und obwohl ich es nicht genau sehen konnte, glaube ich, dass er Lorenz die Hand abhackte. Der zweite Hieb trieb die Klinge tief in den Leib des Dieners, der blutüberströmt zusammenbrach.
    Jacob war längst an ihm vorbei und hinter Lorenz’ Herrn Erasmus hergelaufen, der nun herumfuhr und auf einmal ebenfalls einen Dolch in der Hand hielt.
    Rüsch konnte Jacob nicht weiter beistehen, denn er wurde von einem Soldaten in einen Schwertkampf verwickelt.
    Ich lief los, weil ich Jacob zu Hilfe kommen wollte, und sah aus den Augenwinkeln Richard, der ebenfalls auf den ungleichen Zweikampf zurannte.
    Erasmus trieb Jacob zurück, bis dieser mit dem Rücken gegen das Gemäuer des Doms stieß.
    Nur noch wenige Schritte trennten mich von den beiden. Ich war hinter Erasmus, er sah mich nicht. Doch dann warnte ihn wohl etwas in Jacobs Blick, er wollte herumwirbeln und …
    Ich rammte gegen ihn, und der Aufprall trieb mir die Luft aus den Lungen, ich wurde zurückgeworfen und ging zu Boden. Alles schmerzte.
    Es dauerte einen Moment, dann gelang es mir, mich auf die Ellenbogen hochzustemmen, und ich nahm meine Umgebung wieder wahr.
    Erasmus lag reglos am Boden. Sein eigener Dolch steckte ihm in der Brust.
    Richard und Jacob war es gemeinsam gelungen, ihn zu überwältigen, ihm die Waffe zu entreißen und ihn damit zu töten.
    Doch wer von beiden ihm die Klinge in die Brust gestoßen hatte, sollte ich auch später nicht erfahren, darüber schwiegen sie beharrlich.
    Jacob ließ sich neben mir auf die Knie nieder. »Bist du verletzt?«, fragte er heiser.
    »Nein«, antwortete ich, ohne zu wissen, ob das wirklich stimmte.
    Richard und er halfen mir auf. »Der Kampf ist vorbei«, sagte der ehemalige Gaukler.
    Ich sah mich um. Fünf Soldaten lagen tot am Boden, zwei von unseren Männern.
    Für was?, fragte ich mich.
    Czyne und die anderen warteten bei den Karren auf uns. »Der Mob zieht zum Severinstor«, sagte sie. »Ich war auch auf dem Weg dorthin, aber da war mir zu viel los.«
    »Du kannst später immer noch gehen.« Richard sah sie an.
    Sie erwiderte seinen Blick und nahm seine Hand. »Wann immer ich will.«
    Es warteten keine Soldaten an der Klosterpforte, aber es schien auch sonst niemand da zu sein. Auf unser Klopfen hin wurde nicht geöffnet, auf unser Rufen nicht reagiert. Die Gebäude wirkten wie ausgestorben. In keinem der Fenster war ein Licht zu sehen, kein Laut war zu vernehmen.
    Ich ahnte bereits, was geschehen war.
    Jacob half mir über die Mauer, danach öffnete ich meinen Gefährten und den Kranken die Pforte von innen.
    Die Nonnen waren alle tot, dahingerafft von der Seuche.
    Wir fanden die meisten im Refektorium, manche aufgebahrt, andere zusammengesunken unter den leeren Augen des Messias. Die letzte fand ich, als ich Mutter Immaculatas alte Zelle betrat.
    Schwester Johannita lag auf dem Boden, eingebettet in einen See aus Wachs. Die Kerzen, die sie um sich herum aufgestellt hatte, waren längst heruntergebrannt. Eine Seuchenmaske hing schräg über ihrem Gesicht.
    Wir schafften die Kranken in die Kapelle, weil dort keine einzige Tote lag.
    Ich war müde und sehnte mich nach einem Strohlager, trotzdem sah ich noch einmal nach Judith. Wir hatten sie und ihren Vater in meiner ehemaligen Zelle untergebracht. Als ich eintrat, sah sie mich an.
    Wilbolt saß neben ihr auf einem Hocker, den Rücken gegen die Wand gelehnt, den Kopf auf die Brust gesunken, die Augen geschlossen. Ich legte den Zeigefinger auf meine Lippen. Judith nickte und drehte sich um.
    »Geht es ihr besser?«, fragte Agnes, als ich die Tür schloss. Sie trug einen Stapel Tücher auf den Armen und wirkte frisch und gelassen, wie jemand, der einen erholsamen langen Schlaf hinter sich hatte.
    »Sie wird wieder gesund, denke ich.«
    Agnes lächelte. »Das freut mich.«
    Wir gingen nebeneinander her. Ich nahm ihr ein paar der Tücher ab. »Und was ist mit dir? Geht es dir gut?«
    »Ich werde um meine Schwestern weinen, wenn ich die Zeit dazu finde, aber erst einmal müssen die Kranken versorgt werden. Richard steht auf dem Dach und gibt acht, aber es sieht nicht so
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