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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod
Autoren: Claudia Kern
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aus, als würde das Feuer uns so nah kommen, dass es uns gefährlich werden könnte.«
    »Und dann?«
    »Der Bischof wird neue Nonnen finden, sie hierherschicken, und bald wird das Kloster so lebendig sein wie zuvor«, war Agnes überzeugt.
    »Mit einer neuen Äbtissin«, sagte ich.
    Agnes blieb stehen. Sie sah sich um, als wollte sie sicherstellen, dass wir allein waren, dann sagte sie leise: »Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird.«
    Ich nahm an, dass es an der Müdigkeit lag, dass ich ihre Worte nicht gleich begriff.
    Sie bemerkte meine Verwirrung. »Schwester Johannita ist doch gerade erst vom Bischof ernannt worden, da wäre es doch eine Schande, wenn sie schon wieder abdanken müsste.«
    »Aber Schwester Johannita ist …« Auf einmal verstand ich. »Das ist gewagt.«
    Agnes zuckte mit den Schultern. »Der Bischof hat sie nie gesehen, und die Brüder, die hierherkommen, blicken uns nie ins Gesicht.« Sie lächelte, und in ihren Augen lag ein dunkler Ausdruck. »Und du weißt doch, wie es ist: Unter der Haube sind wir alle gleich.«

Epilog
    Es ist ein sonniger Tag.
    Der Karren, von zwei Ochsen gezogen und von Czyne bezahlt, fährt uns am Rhein entlang nach Westen. Jacob sitzt neben mir, ich spüre seine Hand auf der meinen und Richards Umarmung in meiner Erinnerung.
    Ich drehe den Kopf und sehe zurück zu der Stadt, die langsam hinter den Bäumen verschwindet. Der Wind vertreibt die letzten Rauchschwaden, kein Feuer brennt mehr. Der Mob, der ausgezogen war, um zu töten, hat die Brände gelöscht. Wilbolt ist stolz auf die Stadt, die er von nun an wirklich regieren will. Ich weiß nicht, ob ihm das gelingen wird, aber vielleicht reicht es schon, wenn die Stadt ihn regiert und nicht irgendjemand anders.
    Die Stadttore sind wieder geöffnet worden, und nun breitet sich das weite Land vor uns aus. Wo Konstantinopel liegt, weiß ich nicht, aber ich frage Jacob auch nicht danach.
    Ab und zu, wenn er nicht hinsieht, reibe ich die Beule unter meiner Achsel ein. Sie ist noch klein, aber sie wird wachsen. Der Gedanke an den Tod schreckt mich nicht, zu oft habe ich ihn gesehen, doch der Gedanke an das Leben erfüllt mich mit Freude. Ich möchte mehr davon mit Jacob teilen als diese wenigen Monate. Wenn ich könnte, würde dieser Moment ewig währen, wir auf dem Karren, mit der Sonne im Gesicht und der Stadt im Rücken.
    »Woran denkst du?«, fragt Jacob.
    Ich denke an den Toten im Weiher. Er hat richtig gehandelt, aber seine Entscheidung ist nicht die meine. Ich werde hoffen, solange ich es vermag. Länger als ich es vermag.
    Und so sehe ich Jacob an und sage: »Erzähl mir von Konstantinopel.«
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