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Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott
Autoren: Gerd Scherm
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Beckenrand, ein gesenktes Augenlid und Masseure und Gesundbeterinnen traten ihre Dienste an. Ohne ihn stünden sie nass, triefend und ratlos im Haus herum. Sie waren ja nicht einmal in der Lage, ein Handtuch zu verlangen, geschweige denn, eines in seinen labyrinthischen Kammern zu finden. Ohne ihn würden sie im Wasser stehend verdursten und verhungern. Ohne ihn kämen Muskelkrämpfe und Schüttelfrost über sie, und sie wussten nicht einmal, was mit ihnen geschah.
    Arams Spiegelbild im Beckenwasser strahlte mehr und mehr. Er war mächtig. Er war wichtig. Er war der Magus des Badehauses, der Hohe Priester der Entspannung.
    Er betrachtete sein triumphierendes Abbild, dieses Bild eines hageren Mannes, dem die Götter die Macht über die Badenden geschenkt hatten. Und dann traf ihn der Schock: Er musste alles zurücklassen. Hinausziehen in eine Welt ohne Badehäuser. Ja sogar ohne Nilwasser. Alles, was er besaß, war hier in diesem Haus.
    Seine Macht, die Geheimnisse der Gäste, die wohlriechenden Wasser, die Handtücher, die Erfrischungen, die Masseure, die Gesundbeterinnen, sein Lebenszweck, seine Vergangenheit, seine Zukunft.
    Langsam ließ sich Aram ins Becken gleiten.
    Es gab nicht nur Einsamkeit in dieser Nacht.
    Andernorts fand eine große Versammlung statt, allerdings zur Gänze ohne menschliche Beteiligung. Der Versammlungsort schien ein Palast in Theben zu sein, dem Palast des Statthalters nicht unähnlich. Das kam nicht von ungefähr, denn es war der Palast des Statthalters, aber es war eine Ausgabe des Palastes auf einer anderen Ebene, in einer anderen Dimension, wie immer man es nennen mag.
    Auf jeden Fall in einer Sphäre, die Menschen in ihrer körperlichen Existenz nicht betreten können. So bestand auch keine Gefahr, dass der Statthalter oder seine Palastwache die Versammlung stören konnten.

     
    Zugang zu dieser Betaversion des Palastes erlangte man nur mit einem bestimmten Schlüssel, dem Ankh, auch Henkelkreuz genannt.
    Nun wurden in jedem besseren Devotionalienladen Thebens Henkelkreuze in unterschiedlichsten Größen und Materialien zum Kauf angeboten, und dieser Artikel war denn auch ein ausgesprochener Verkaufsschlager. Doch mit diesen Imitationen würde keiner die Türe öffnen können, hinter der diese Versammlung stattfand.
    Ein echtes Ankh war wie ein elektronischer Autoschlüssel, wo eben auch nicht die äußere Form ausreicht, das Schloss aufzusperren. Ein echtes Ankh trägt die Spur eines Gottes in sich, quasi seinen energetischen Fingerabdruck.
    Die Gesellschaft, die sich in der großen Halle eingefunden hatte, war, gelinde ausgedrückt, bizarr. Aus besonderem Anlass sah es Amun als notwendig an, nicht nur die lokale Neunheit der Götter zu versammeln, sondern auch auswärtige Gottheiten einzuladen. Wie jeder weiß, sind Götter stark ortsgebunden und in ihrer Macht von ihrem ganz persönlichen Platz abhängig. Das erklärt auch, warum einige der Gottheiten etwas nervös waren und sich unbehaglich fühlten. Man konnte ja nie wissen, was die Neunheit von Theben vorhatte.
     
    Isis und Osiris ließen sich von ihrem falkenköpfigen Sohn Horus entschuldigen, sie waren anderweitig beschäftigt. Die anderen Götter und Göttinnen hatten sich längst damit abgefunden, dass die beiden immer anderweitig beschäftigt waren. Sie standen in dem Ruf, sich für etwas Besseres zu halten. Seth, auch eine der Großen Gottheiten, hielt sich nach seinem Streit mit den beiden, der ihm die Hoden und Horus ein Auge gekostet hatte, vorwiegend zurückgezogen in der Wüste auf und kümmerte sich in erster Linie um die Züchtung seiner berühmten Seth-Tiere.
    Manchmal ließ er sie nachts los, um etwas Unheil über die Fellachen zu bringen. Keine große Sache in Anbetracht der anderen Dinge, zu denen er fähig war.
    Amun stand mit dem Krokodilgott Suchos, auch Sobek genannt, auf dem leicht erhöhten Platz, der auf einer anderen Ebene dem Statthalter von Theben vorbehalten war.
    Rechts daneben eine Dreiergruppe mit Horus, der löwenköpfigen Sachmet und dem Zwerg Bes. Die drei waren allem Anschein nach dabei, eine neue Koalition zu bilden. Überhaupt waren Koalitionen unter Göttern etwas sehr Wesentliches. Ständig wurden alte aufgelöst und neue geschlossen, und manchmal waren sie von so kurzer Dauer, dass der Käfer Chepre in dieser Zeit die Sonne nicht einmal von einem zum anderen Nilufer hätte rollen können.
    Eine andere Gruppe in der entgegengesetzten Ecke des Raumes bildeten Thoeris, die aussah wie ein
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