Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
vielleicht jemanden?
Dabei hatte Belian der Name eines der Leutnants vorgeschwebt oder der Navigator des Hilfsschiffes. Halbwegs hatte er sogar mit Steinhoffs persönlicher Hilfe gerechnet. Julien Niven stieß in der Tat langsam an seine Grenzen und war oft genug frustriert. Kein Wunder, wenn die Aufgaben von Walther Steinhoff stammten. Die Antwort, die der aktive Offizier gab, war jedoch ein milder Schock.
Wissen Sie, unsere Leutnants haben leider nicht viel dafür übrig. Unser Navigator Owan und ich sind sehr beschäftigt, aber ich habe mir über das Problem bereits genügend Gedanken gemacht. Leutnant Jasko wäre eine gute Wahl. Er ist noch immer krankgeschrieben.
Die zweite Möglichkeit läge im Arrestbereich, wo Sie sich sowieso mal wieder blicken lassen sollten. Man fragt beinahe täglich nach Ihnen, und so ließe sich das Ganze noch mit dem Nützlichen verbinden.
Sirius hat nämlich allgemein eine sehr merkwürdige Auffassung, was seine Schiffskommandanten angeht. Bei den Scheißkerlen ist es üblich, dass Familien ihr Leben lang durchs All ziehen. Kinder werden auf ihren Schiffen geboren, und manche ältere Generation ist auf demselben Schiff schon aus dem Leben geschieden, ohne jemals auch nur für eine Woche den Fuß auf einen Planeten gesetzt zu haben. Aus diesen wandernden Händlerfamilien rekrutieren die Zehn Bastarde gerne ihre späteren Führungsoffiziere.
Commander Delaignes Geburtsort ist laut dessen Angaben angeblich das Friesen-System. Dort gibt es nur zwei Raumstationen und keinen Planeten. Ich würde ein ganzes Monatsgehalt verwetten, dass er eine Schiffsgeburt ist, schon als Kind auf der Brücke gespielt hat und daher mehr von Transitnavigation versteht als der Zweite bis Sechste Leutnant der Berlin zusammen. Versuchen Sie es mit ihm. Ich bin mir sicher, dieser Frosch würde alles für Sie tun, um sich erkenntlich zu zeigen.
Belian versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, aber weder Kristian Jasko noch der Gefangene Remonel Delaigne waren aus seiner Sicht gute Optionen. Derartigen Zusammentreffen ging Belian tunlichst aus dem Weg.
Ziemlich ratlos verabschiedete er sich von dem doch recht netten Ersten Leutnant und ging mit dem Buch und dem Computer in der Hand zum Lazarett zurück. Dabei kam er an Julien Nivens Quartier vorbei und klopfte kurzerhand an. Sein Freund würde in der Mathematikfrage sicherlich Rat wissen, und außerdem hatte Belian plötzlich das Gefühl, vor lauter Neuigkeiten zu platzen. Erst dieser Überfall in seinem Zimmer und im Anschluss daran das überraschend gute Ende. Von Arbeitsdienst und Deckschrubben war gerade im Gespräch mit dem stellvertretenden Kommandanten nicht mehr die Rede gewesen!
„Julien?“ Er öffnete die Tür und blieb überrascht stehen.
Das Licht brannte, aber Niven war nicht da. Gerade als Belian jedoch wieder gehen wollte, fiel sein Blick auf etwas Glitzerndes. Es lag auf dem metallenen Nachttisch des zur normalen Kabine umfunktionierten ehemaligen Krankenzimmers. Die Berlin beherbergte eben nicht allzu oft Zivilisten.
‚Das ist doch…’
Es war in der Tat Louises wertvolles Medaillon.
Enttäuschung und Wut waren alles, was Belian für einen Moment empfand. Sein bester Freund hatte ihn bestohlen!
Als er kurzerhand eintrat, um seinen Besitz wieder an sich zu nehmen, fiel sein Blick auf das Buch neben dem Schmuckstück. Weißes Papier, gefüllt mit der ungelenken Krakelei eines Linkshänders, der nach dem Verlust seiner Schreibhand unglücklicherweise die andere benutzen musste.
10. Juni 2780, halb fünf am Morgen
Ich kann nicht anders, als diese Zeilen hier und jetzt niederzuschreiben, um sie loszuwerden. Lieber Gott im Himmel, weshalb musst du manchmal so grausam sein? Heute hätte ich Etienne um ein Haar alles gesagt, aber ich konnte mich gerade noch zurückhalten! Er darf es niemals erfahren, sonst werde ich ihn ganz verlieren. Er erwähnte in einem ernsthaften Gespräch, zu dem ich ihn leider verleitet habe, seine Wünsche. Er möchte eine Frau heiraten und Kinder haben! Ich habe mir dafür gewünscht, ich würde in dem Moment tot umfallen. Es wäre so viel besser gewesen! Stattdessen musste ich lügen, als er mich dasselbe fragte. Wie hätte ich ihm angesichts dessen gestehen können, dass ich mein Traumhaus am Meer mit ihm teilen möchte und mit keinem anderen?
Gott im Himmel, warum musstest du so unfair sein? All die Jahre habe ich versucht, dir gefällig zu sein. Ich habe dir sogar Jeffreys Tod
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