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Die naechste Frau

Die naechste Frau

Titel: Die naechste Frau
Autoren: Sanne Hipp
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hier für ein …“
    Jaquelines Stimme unterbrach das Lamentieren. „Wir haben hier eine aufgebrachte Angehörige, die Sie unbedingt sprechen möchte.“ Ihr Tonfall sagte soviel wie: Es tut mir leid, dass ich Sie damit belästigen muss.
    Aber Alex hatte den Notfall ja selbst mitgehört. „Ich komme sofort. Bis gleich.“
    „Danke.“
     
    Sie benötigte nur ein paar Minuten zur beschützen Wohngruppe, gab den Zahlencode ein und passierte die Stationstür. Sie konnte das Geschrei von weitem hören.
    Mehrere Bewohner sahen bereits verängstigt aus, und es herrschte eine allgemeine Unruhe auf Station, die sofort auffiel. Alex spürte, wie der Zorn in ihr hochkochte. Wie konnte sich diese Besucherin erlauben, sich so aufzuführen?
    Sie erreichte das Schwesternzimmer. Eine Frau um die Sechzig stand an der offenen Tür und schrie Jaqueline an:
    „Ich zeige Sie an, ich wende mich an den Medizinischen Dienst. Warten Sie nur, bis ich Ihrer Chefin alles erzählt habe.“
    „Was wollen Sie mir denn alles erzählen?“, fragte Alex in schneidendem Tonfall. Die ältere Frau drehte sich zu ihr um.
    „Breitenbach“, stellte Alex sich vor, „ich bin die Einrichtungsleitung.“
    Die Frau musterte sie von Kopf bis Fuß. Alex wartete nicht, bis sie damit fertig war.
    „Sie werden augenblicklich in einem normalen Tonfall weiter reden, sonst werde ich von meinem Hausrecht Gebrauch machen und Sie von hier entfernen lassen.“
    Die Frau starrte sie verblüfft an. Alex' Ton schien ihr die Sprache verschlagen zu haben.
    „Wenn Sie möchten, können wir uns gerne drinnen weiter unterhalten.“ Alex ging vor der Besucherin ins Stationszimmer, wartete, bis sie eingetreten war, gefolgt von Jaqueline, und schloss die Tür hinter ihnen. Sie sah zu Jaqueline, die sich auf den Schreibtisch gesetzt hatte. Ihre Blicke trafen sich. Jaqueline schien erleichtert zu sein, aber in ihren blauen Augen spiegelte sich ein schlechtes Gewissen. Alex fragte sich, wieso. Was auch immer der Grund für das Verhalten der Besucherin war, keine Mitarbeiterin brauchte sich so einen Umgangston gefallen zu lassen. Warum wehrte sie sich nicht dagegen?
    „Was wollten Sie mir sagen?“, wiederholte Alex ihre Frage.
    Das war das Stichwort, sofort begann die ältere Frau lautstark:
    „Das ist doch eine Schweinerei …“
    „Ich sage es Ihnen jetzt zum letzten Mal: Reden Sie mit mir in einer normalen Lautstärke!“
    Die ältere Frau sah sie mit großen Augen an.
    „Ich möchte mich beschweren“, sagte sie dann, ruhiger als zuvor.
    „Tun Sie das, dazu bin ich da. Vielleicht wollen Sie mir auch noch sagen, mit wem ich es zu tun habe?“
    „Ich bin Frau Müller. Und meine Mutter wird hier nicht richtig versorgt.“
    „Wie kommen Sie darauf?“
    „Sie bekommt zu wenig zu Essen und zu Trinken, und richtig angezogen ist sie auch nicht.“
    „Kann ich einen Blick in die Akte werfen?“, fragte Alex an Jaqueline gewandt.
    „Natürlich.“ Jacqueline reichte ihr hastig die Dokumentenmappe.
    Alex hatte sie noch nie so angespannt gesehen. Ihre Hand zitterte etwas, als sie ihr die Mappe reichte. Hatte ihr die Angehörige so zugesetzt, oder hatte sie tatsächlich ein schlechtes Gewissen wegen irgendeines Versäumnisses?
    Sie überflog die Unterlagen. „Wer sind Sie? Frau Gertraud Müller?“
    „Nein, ich bin die Schwester, Hildegard Müller.“
    Alex nickte. „Sie sind nicht die Generalbevollmächtigte, richtig?“
    „Die Vollmacht hat meine Schwester, aber es handelt sich immer noch um meine Mutter …“
    Alex unterbrach sie, nachdem sie in der Akte auf eine vollständig aufgeführte Ein- und Ausfuhrtabelle gestoßen war, die belegen konnte, dass die Bewohnerin ausreichend zu essen und zu trinken bekam. Im Pflegebericht stand, dass sie sich heute in guter Tagesform befand, heute Morgen sogar gebadet worden war. Sie hielt jedes weitere Wort überflüssig. „Wenn Sie keine Vollmacht haben, werde ich mich nicht mit Ihnen unterhalten. Sie haben kein Recht auf eine Auskunft von meiner Seite, auch nicht von Seiten der Pflegekräfte. Wenden Sie sich mit ihrem Anliegen an Ihre Familienangehörigen, die in Besitz der Vollmacht sind. Und jetzt möchte ich Sie bitten, Ihren Besuch hier im Stillen fortzusetzen.“
    Die Frau stand da mit offenem Mund, dann klappte sie ihn wieder zu, um anschließend zu sagen:
    „Das wäre mir bei Ihrem Vorgänger nicht passiert. Der hatte immer ein Ohr für die Beschwerden der Angehörigen.“
    „Sie haben keinen Grund, sich zu
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