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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung
Autoren: Arthur C. Clarke
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Aber für diesen Prozess hier hat seine eventuelle Schuld — oder Unschuld, bis zum Beweis des Gegenteils im Übrigen — ebenfalls keine Rolle zu spielen. Für euren Urteilsspruch sind einzig und allein klare Beweise für meineSchuld im Sinne der Anklage maßgeblich.
    Die Anklage hat unterstellt, dass meine angebliche umstürzlerische Aktivität mit jener Videotransmission begonnen habe, die dann zur Gründung dieser Kolonie führte. Ich gestehe ein, dass ich an der Gestaltung dieses Videos beteiligt war, das von Rama zur Erde übertragen wurde, aber ich bestreite kategorisch, dass ich: erstens jemals in konspirativer Absicht mit den außerirdischen Fremden zusammengearbeitet habe oder dass ich jemals mit den außerirdischen, die dieses Raumschiff erbauten, gegen meine Mitmenschen von der Erde irgendwelche Pläne ausgeheckt habe.
    Ja, ich habe an diesem Video mitgewirkt, und das sagte ich ja bereits gestern im Kreuzverhör des Staatsanwalts. Und zwar, weil ich überzeugt war, dass mir keine andre Wahl blieb. Meine Familie und ich befanden uns im Machtbereich einer Superintelligenz, die alles Vorstellbare übersteigt, und waren ihr ausgeliefert. Es bestand begründeter Anlass zu der Befürchtung, dass eine Weigerung, an dem Video mitzuwirken, zu gravierenden Zwangsmaßnahmen gegen uns geführt hätte.«
    Nicole kehrte an den Tisch der Verteidigung zurück und trank einen Schluck Wasser. Dann fuhr sie auf dem Absatz herum und fixierte die Geschworenen erneut. »Und damit hat die Anklage nur zwei potentielle Quellen für irgendwelche stichhaltige Beweisvorlagen, aufgrund derer ich wegen >Staatsgefährdung und Aufwiegelung< verurteilt werden könnte: Die Aussage meiner Tochter Katie und jene sehr merkwürdige Audio-Aufzeichnung — ein zusammengeschnittenes Gemisch von unzusammenhängenden Bemerkungen, die ich im privatesten Bereich meiner eignen Familie gemacht habe, nachdem man mich verhaftet hatte. Ihr habt das ja gestern Morgen gehört.
    Es ist euch ja wohl allen klar, wie leicht es ist, derartige Tonaufzeichnungen zu manipulieren und zu verfälschen. Die beiden Chef-Audiotechniker haben gestern unabhängig voneinander im Zeugenstand beschworen, dass sie viele Hundert Stunden von Gesprächsaufzeichnungen zwischen meinen Kindern und mir angehört haben, ehe sie dann hier jenes Halbstundenband mit >vernichtendem Beweischarakter< vorlegten, auf dem dann ganze achtzehn Sekunden aus einem zusammenhängenden Gespräch stammten ... Es wäre wirklich der Gipfel der Untertreibung, wollte man sagen, meine zusammengeschnittenen Äußerungen auf diesem Band seien aus dem Zusammenhang gerissen präsentiert worden.
    Was die Aussage meiner Tochter Katie Wakefield betrifft, so kann ich nur mit tiefer Bekümmerung sagen, dass sie in ihrer ersten Aussage mehrfach die Unwahrheit sagte. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von den angeblichen subversiven Aktivitäten meines Mannes Richard Wakefield, und ich habe deshalb auch ihn zu keiner Zeit in derlei Aktivitäten unterstützen können.
    Ihr erinnert euch, dass im Kreuzverhör Katie Wakefield sehr verworren wurde, was die Fakten angeht, ihre frühere Aussage widerrief und schließlich im Zeugenstand zusammenbrach. Der Richter hat euch dahingehend belehrt, dass meine Tochter in der letzten Zeit >psychisch nicht gesund< gewesen sei und dass ihr deshalb die Äußerungen, die sie während meiner Befragung >unter Zwang< gemacht hat, nicht zur Kenntnis zu nehmen habt. Ich aber bitte euch dringlich: Erinnert euch an jedes Wort, das Katie Wakefield hier gesagt hat — nicht nur bei der Befragung durch den Staatsanwalt, sondern auch als ich im Kreuzverhör aus ihr exakte Angaben zu Orten und Zeitpunkten zu erfragen versuchte, bei denen ich mich laut ihrer früheren Aussagen >staatsfeindlich< betätigt haben soll.«
    Nicole trat ein letztes Mal direkt vor die Geschworenen und suchte den Blickkontakt mit jedem Einzelnen. »Die letzte Entscheidung darüber, wo hier in diesem Fall die Wahrheit liegt, steht bei euch. Ich stehe hier vor euch — und mein Herz ist schwer, denn ich kann auch jetzt noch nicht fassen, es einfach nicht glauben, was an Entwicklungen dazu führen konnte, dass ich hier stehen muss— und schwerer Verbrechen angeklagt bin. Ich glaube, ich habe dieser Kolonie und der menschlichen Spezies treu und gut gedient. Ich bin keines der mir zur Last gelegten Verbrechen schuldig. Und wenn es in diesem unserem erstaunlichen Universum eine überragende Intelligenz oder Macht geben
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