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Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
Autoren: Marco Lalli
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schreibe...“ Wieder wunderte er sich über den Klang seiner Stimme.
    Massimo Giacometti rief “Bravo!” und intonierte: „ Cosa sono? Sono un poeta! Cosa faccio? Scrivo !” Er klatschte in die Hände: “Bravissino! Man kann es nicht besser ausdrücken: Scrivo! Wussten Sie übrigens, dass Puccini hier geboren wurde. Torre del Lago ist keine halbe Zugstunde entfernt.” Er machte eine Geste in eine unbestimmte Richtung, um dann ernster und mit erhobenem Zeigefinger hinzuzufügen: „So international wir hier sind, vergessen wir nicht, wo wir sind. In Italien! Im kulturellen Zentrum Europas!“ Er reckte das Kinn in die Höhe, und sein schmales Gesicht wurde hart. Mit dem schwarzen zurückgekämmten und pomadisierten Haar glich er für einen Augenblick tatsächlich einem überheblichen Aristokraten. Doch dann lachte er, als habe er nur einen Scherz gemacht, und Arkadij warf beschwichtigend ein: „Rom, Paris, Berlin! Wo stünde heute Europa, hätte es diesen schrecklichen Krieg nicht gegeben!“ Noch bevor Giacometti zu einer Erwiderung ansetzen konnte, fügte er hinzu: „Die Jugend Europas möge fortan ein Vorbild abgeben für das Zusammenleben der Völker. Lasst uns darauf trinken. Auf uns!“
    Und da ihm niemand widersprechen wollte oder konnte, hob man die Gläser und beeilte sich, das Thema zu wechseln. Die Runde zerfiel erneut in verschiedene Seitengespräche, nur Maximilian und neben ihm Matteo aßen schweigend zu Ende.
    Der restliche Abend wurde mit mehreren Runden Espresso eingeläutet. Dazu gab es Grappa, für die Damen Zitronen- oder Mandellikör. Später, für den Fall, dass sich wider Erwarten erneuter Appetit anmelden sollte, wurden cantuccini und vin santo auf den Tisch gestellt. Das Mandelgebäck wurde in den süßen Likörwein getunkt und half die Stunden zu überbrücken, bis man sich satt und zufrieden, wenn auch ziemlich beschwipst ins Bett legen sollte.
    Natürlich war das auch die Stunde des Tabaks, und da Josef und Maximilian die einzigen in der Runde waren, die sich weder Zigaretten noch Zigarillos noch Zigarren noch eine Pfeife nach dem Essen anzuzünden pflegten, der eine auf strenge Anweisung der Ärzte, der andere aus Überzeugung, fanden sie sich zu fortgeschrittener Stunde in einer Ecke des Raumes wieder. Vielleicht hatte auch die gemeinsame Sprache sie zusammengeführt, denn je mehr sie getrunken hatten, umso schwerer war es ihnen gefallen, sich auf Französisch, auf Englisch oder gar auf Italienisch zu unterhalten.
    Eine Weile beobachteten sie schweigend die anderen. Das Licht war weiter gedämpft worden, und trotz der weit geöffneten Fenster und Türen standen dünne Rauchschwaden wie Spinnweben im Zimmer. Kein Lüftchen regte sich.
    Das Grammophon spielte französische Schlager. Germaine, die mit angezogenen Beinen auf einer Chaiselongue saß, stand immer wieder auf, um eine neue Platte herauszusuchen. Dann strich sie sich den kurzen engen Rock glatt und schob ihre zahlreichen Armreifen hoch. Sie hatte ihre modische Kappe abgelegt, und das dünne blond gefärbte Haar fiel ihr glatt auf die Schultern. Wenn sie nicht gerade vor dem Schrank mit den Schallplatten kniete, zog sie an ihrer goldenen Zigarettenspitze und schien dem hitzigen Gespräch zu folgen, das zwischen den russischen Brüdern entbrannt war. Arkadij, der neben ihr saß, hatte sich nach vorne gebeugt und redete eindringlich auf den jüngeren Bruder ein. Seine Hände waren in ständiger Bewegung, das gelockte Haar, der dichte Vollbart wogten, während er erregt auf seinem Sitz hin und her rutschte. Der jüngere Bruder dagegen hatte sich weit nach hinten gelehnt, und seine durch die runden Brillengläser vergrößerten Augen, hätten ausdruckslos erscheinen können, hätte ein Lid nicht immer wieder heftig gezuckt und dem eher weichen Gesicht eine unterschwellige Spannung verliehen. Ab und an stieß er einen kurzen Satz aus, dann fuhr seine Hand wie zum Schlag durch die Luft, dass Maximilian fürchtete, er könne den Bruder tatsächlich ohrfeigen. Matteo, der noch immer am Tisch saß, trank Wein und rauchte Zigaretten. Er schien sich nicht für die anderen zu interessieren. Nur wenn Germaine sich über den Plattenschrank beugte, sah er kurz auf, wanderte sein Blick zum gespannten Stoff ihres Rockes. Und doch wirkte er in Gedanken woanders, so abwesend spielte seine Hand mit dem Weinglas. Wäre Scott nicht gewesen, der auf dem Weg von der Toilette zurück zu den italienischen Geschwistern ein paar Worte mit ihm
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