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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada
Autoren: Brigitte Riebe
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dem eine seltsame Ausbuchtung baumelte.
    »Genau die richtige Aufmachung für unterwegs«, sagte er, als könne er ihre Gedanken lesen. »Rosita und ich waren ein paar Tage in den Bergen, da wäre feine Kleidung nur im Weg gewesen.« Er strich sich die braunen Locken aus der Stirn. »Und was ich dort alles gesehen habe! Terrassen voller uralter Olivenbäume, die das beste Öl liefern, weil sie einige Frostgrade aushalten können und trotzdem genug Sonne abbekommen. Ich hatte all diese Schönheiten beinahe vergessen, so lange war ich fort.«
    Lucia starrte ihn noch immer schweigend an. Seine Hände waren rissig und voll grünlicher Spuren.
    »Dann bist du also ein Bauer?«, entfuhr es ihr. »Der nach seinen Anpflanzungen gesehen hat?«
    Er lachte vergnügt. »Weil ich überall noch Spuren von Oliven an mir habe? Nein, da muss ich dich leider enttäuschen, aber stell dir vor, ich wäre am liebsten einer! Jetzt will ich zurück in die Stadt, sonst wird mein Onkel noch unruhig. Es sei denn, die geschätzten Seňoritas wollen mich vielleicht zuvor noch zu ihrem kleinen Festmahl einladen?«
    Lucia und Nuri tauschten einen kurzen Blick.
    Dieser Platz hier am Darro, wo viele Pappeln standen und der Fluss die fruchtbaren Felder durchschnitt, gehörte zu ihren liebsten Kindheitserinnerungen. In früheren Zeiten, damals, als das Banner der Katholischen Könige noch nicht von der Alhambra geweht hatte, waren sie manchmal mit ihren Familien hergekommen, um im Schatten alter Bäume gemeinsam zu tafeln. Gastfreundschaft gehörte zu dem Wichtigsten, was Antonio, der Christ, und Kamal, der Maure, ihren Töchtern beigebracht hatten, aber bezog sich das auch auf einen Fremden, der sich einfach dreist in ihre Gemeinschaft gedrängt hatte?
    Der junge Mann hatte sich bereits auf dem Boden niedergelassen, noch immer sein freches Grinsen im Gesicht, und starrte auf den Korb mit all seinen Köstlichkeiten.
    »Greif zu!«, sagte Nuri plötzlich auf Andalusisch, als hätte ihr der Kleidertausch auch neues Selbstbewusstsein gegeben. »Ich denke, das hier reicht auch für drei.«
    Ohne Zögern folgte er der Aufforderung, nagte in Windeseile zwei Hühnerbeine ab, verdrückte Mandelreis und Hanfkuchen und wurde erst langsamer, als er schließlich bei den Zuckerstangen angelangt war.
    »Welch ein Genuss!«, rief er. »Wer auch immer das zubereitet hat, ist eine Meisterin.« Das seltsame Ding an seinem Gürtel entpuppte sich als glucksender Ledersack, den er nun den Mädchen reichte. »So machen es die Leute im Norden. Darin hält sich der Wein nämlich lange frisch«, sagte er, verstummte aber plötzlich mit dem Blick auf Lucia abrupt.
    Sie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen. Natürlich – in Nuris Kleidern hielt er sie für eine Maurin, die keinen Wein trinken durfte, und hatte nun Angst, sie vor den Kopf gestoßen zu haben!
    »Wir beide bleiben lieber bei Wasser«, entgegnete sie. »Vor allem, wenn wir nicht einmal wissen, mit wem wir da trinken und essen.«
    Sein Gesicht färbte sich rot. »Ihr müsst mich für einen Tölpel halten«, murmelte er verlegen. »Miguel, so lautet mein Name. Und ihr beide …«
    »Ich bin Fatima«, erwiderte Lucia schnell, sprach absichtlich leicht gebrochen und musste sich auf die Zunge beißen, um nicht lauthals loszuprusten. Fatima, die dicke Schächterfrau, war der erste maurische Name, der ihr in den Sinn gekommen war! Dass er so gar nicht zu ihrer hellen, sommersprossigen Haut und den rötlichen Locken passte, die unter dem Schleier hervorlugten, war unübersehbar.
    Miguels Blick glitt zu Nuri, deren Augen vor Vergnügen leuchteten.
    »Und du?«, fragte er leise.
    »Consuelo«, antwortete sie ernst. Der Name der übelsten Klatschbase im ganzen Viertel! Im Sonnenlicht schimmerten ihre Haare metallisch wie Rabenfedern, und plötzlich schien es ihr gar nichts mehr auszumachen, sie einem Fremden preiszugeben. »Wir sind übrigens Schwestern«, setzte sie hinzu.
    Spürte er, dass sie ihr Spiel mit ihm trieben? Seine Miene hatte sich jedenfalls verfinstert und er wirkte auf einmal unsicher.
    »Was ist das denn?« Lucia war so schnell aufgesprungen, dass ihr der Schleier vom Kopf rutschte und ihre unbändige Lockenpracht freigab. »Deine Satteltasche wackelt ja, als wäre ein böser Geist in sie gefahren!«
    Doch dabei blieb es nicht. Ein struppiger rötlicher Katzenkopf schob sich heraus, übel zugerichtet. Das linke Ohr war blutverkrustet und eingerissen, das rechte ebenfalls von einem alten Biss
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